Lewandowski – Rückblick auf eine turbulente Amtszeit bei Union

 

Zunächst ist man nur von einer dreiwöchigen Pause ausgegangen. Am 04.03.2016 folgte Union Berlins Cheftrainer Sascha Lewandowski jedoch dem Rat seiner Ärzte und legte sein Amt aufgrund eines akuten Erschöpfungssyndroms nieder. Von uns an dieser Stelle natürlich die allerbesten Genesungswünsche, verbunden mit dem Wunsch einen so herausragenden Trainer wieder im Profifußball zu sehen.

Nachdem die Mannschaft sein System und seine Strategie immer besser umsetzen und auch die zwischenzeitliche Abstiegsgefahr gebannt werden konnte, bedeutet das Aus, mit Blick auf die neue Saison, einen herben Rückschlag für die Erstligaambitionen des Ostberliner Kultclubs.

Aufbauend auf den Artikel meines Kollegen Eduard Schmidt werde ich rückblickend die Entwicklung Unions – einer der seltenen Lichtblicke im grauen Alltag der Zweiten Liga – bis zum Ende der Zusammenarbeit mit Lewandowski analysieren. Zum Schluss werfe ich noch einen Blick auf die Entwicklung des Teams unter dem aktuellen (Interims-) Coach und langjährigen Co-Trainer André Hofschneider.

Der Beginn Lewandowskis Amtszeit war zunächst geprägt von der Inkonstanz der, oft unglücklichen, Ergebnisse. Dies war vor allem zurückzuführen auf das häufig unpassende Verhalten mehrerer Spieler, welche verständlicherweise noch unter Einfluss der Abläufe der, von Passivität und Reaktivität geprägten, Spielweise des Ex-Trainers Norbert Düwel standen. Schon damals jedoch waren deutliche Fortschritte und potenziell erfolgversprechende Ansätze sichtbar. Der Prozess hin zu einem (pro-)aktiver agierenden Team dauerte seine Zeit. Gegen Ende des Jahres 2015 wurden die mannschafts-, aber vor allem die gruppen- und individualtaktischen Abläufe immer kohärenter. Die Instabilität konnte von Woche zu Woche weiter abgebaut werden, sodass sich auch die Resultate und die Tabellensituation deutlich verbesserten.

Grundlegende Formation zu Beginn der Ära Lewandowski

Grundlegende Formation zu Beginn der Ära Lewandowski

Flexibles Pressing mit unorthodoxen Staffelungen

Direkt nach Amtsübernahme Anfang September letzten Jahres ließ Lewandowski seine Elf in einem 4-1-4-1 auflaufen, welches jedoch Ende Oktober dem 3-4-1-2 weichen sollte, das bis zuletzt unter dem gebürtigen Dortmunder gespielt wurde.

Schon mit erstgenanntem System konnte das Defensivspiel zügig verbessert werden, ohne jedoch die Anzahl an Gegentoren spürbar zu verringern (siehe reaktives Verhalten). Das 4-1-4-1 war defensiv auch nicht minder flexibel als sein Nachfolgesystem. So wurde aus diesem häufig ein 4-l1r-2-1, als eine Art des 4-3-2-1, mit höheren 8ern sowie tieferen und breiteren Flügelstürmern. Ein Achter rückte ballnah situativ auch aggressiv auf einen sich im Aufbau befindenden Innenverteidiger heraus, wobei 4-l1r-1-2-/ 4-3-3-Staffelungen entstanden. In diesen Szenen orientierte sich Damir Kreilach manchmal am ballfernen Innenverteidiger, wohingegen Bobby Wood dies am abkippenden Sechser tat. Die erste Aufbaulinie des Gegners war somit kurzzeitig komplett mannorientiert zugestellt. Mit der passenden Dynamik und intelligentem Verhalten der Kollegen dahinter war dieses Vorgehen sehr effektiv, abgesehen von den sowieso vorherrschenden allgemeinen Aufbauproblemen des Großteils der Zweitligateams.

Das grundsätzliche 4-1-4-1- Mittelfeldpressing erzeugte viele Umformungen. Neben dem bereits erwähnten 4-l1r-2-1, und sich den daraus zeitweise ergebenden 4-l1r-3-Staffelungen mit enger Dreierlinie ganz vorne, existierten sogar leichte Tendenzen zu kurzzeitigen 4-2-4- mäßigen Stellungen, in welchen sich beide Flügelstürmer auf einer Höhe mit Kreilach und Wood befanden.

 

Pressing aus 4-l1r-2-1 heraus. Kreilach rückt auf den rechten Innenverteidiger heraus. Wenn die weiteren Spieler der ersten gegnerischen Aufbaulinie angespielt werden, rücken Daube und Wood sofort auf diese heraus. Kreilachs Anlaufen wird jedoch oft durch ein Zurückfallen Daubes in die Mittelfeldlücke beantwortet. Diese Lücke entsteht, weil Brandy und Thiel sich jeweils lose an den gegnerischen Außenverteidigern orientieren. Die Innenverteidiger, hier Leistner, stehen zudem bereit um aggressiv in diesen Bereich herauszurücken. Durch Daubes Zurückfallen wird eine 4-4-2- Staffelung im weiteren Verlauf sichtbar werden.

Pressing aus 4-l1r-2-1 heraus. Kreilach rückt auf den rechten Innenverteidiger heraus. Wenn die weiteren Spieler der ersten gegnerischen Aufbaulinie angespielt werden, rücken Daube und Wood sofort auf diese heraus. Kreilachs Anlaufen wird jedoch oft durch ein Zurückfallen Daubes in die Mittelfeldlücke beantwortet. Diese Lücke entsteht, weil Brandy und Thiel sich jeweils lose an den gegnerischen Außenverteidigern orientieren. Die Innenverteidiger, hier Leistner, stehen zudem bereit um aggressiv in diesen Bereich herauszurücken. Durch Daubes Zurückfallen wird eine 4-4-2- Staffelung im weiteren Verlauf sichtbar werden.

Regelmäßig gab es außerdem 4-4-2-hafte Staffelungen im Mittelfeldpressing, zum Beispiel wenn der energische Kreilach neben Stürmer Bobby Wood herausrückte und einen Aufbauspieler des Gegners aggressiv presste, vor allem aber im Abwehrpressing. Ebenso staffelte sich das Team in höheren Pressingphasen, auch in Angriffspressingphasen, in jenem 4-4-2. Diese vielfältigen Umformungen wurden allesamt meistens sauber ausgeführt, indem die Mitspieler das flexible Herausrücken einzelner Kollegen gut beantworteten. Die zum Teil neu entstehenden Staffelungen waren natürlich darauf bedacht, die generelle defensive Stabilität, trotz hohem Druck und vielen Spielern in Ballnähe, aufrecht zu erhalten. Typisch für das Union-Pressing war, sowohl im 4-1-4-1 als auch im 3-4-1-2, die hohe Intensität und das häufige Leiten des gegnerischen Aufbaus auf die Flügel, um den Ball dort aggressiv zu erobern. An dieser Stelle verweise ich gern auf ein Zitat von Pep Guardiola, in welchem er die Seitenauslinie sinnbildlich als seinen besten Verteidiger bezeichnete. Des Weiteren schob der ballnahe Außenverteidiger oft höher, um zum Beispiel den Raum hinter dem herausrückenden Flügelstürmer zu besetzen und/oder auch um sowohl Überzahl als auch dynamisch Druck in Ballnähe zu erzeugen. Die Erhöhung der ballnahen Kompaktheit ist ebenfalls Produkt dieses Verhaltens. Den durchgängig hohen Zugriff in den Halbräumen, in Verbindung mit der vereinzelten Nutzung von Pressingfallen, hat mein Kollege bereits hinreichend erläutert (siehe Grafik unten).

Ich bediene mich hier mal einer Grafik aus dem Artikel meines Kollegen. Zu sehen: eine typische Halbraumpressingfalle.

Ich bediene mich hier mal einer Grafik aus dem Artikel meines Kollegen. Zu sehen: eine typische Halbraumpressingfalle.

 

Mannigfaltiges Aufbauspiel und weit überdurchschnittliches Gegenpressing

Das Aufbauspiel Unions war geprägt von einer geduldigen Zirkulation in den ersten Reihen und einem gewissen Stabilitätsdenken. Es herrschte grundsätzlich viel Bewegung in allen Mannschaftsteilen, vor allem natürlich im zentralen Mittelfeld, wodurch sowohl Räume geöffnet als auch flexibel besetzt werden sollten.

Zu Beginn der Aufbauphase wurden die Außenverteidiger meist kurz für einfache Doppelpässe mit den Innenverteidigern eingebunden. Danach verhielt sich die Viererkette im Aufbau asymmetrisch, denn vor allem Kessel schob auf rechts höher als sein Pendant auf links, meist entweder Parensen oder Trimmel, welche sich eher auf Höhe der Innenverteidiger befanden und zum Teil wie offensivere Halbverteidiger wirkten. Sie gaben nur situativ in höheren Bereichen Breite. Diese Aufgabe übernahm der jeweilige Linksaußen. Vereinzelt war dies Steven Skrzybski, der aus diesen breiteren Positionierungen seine durchaus dienlichen inversen Dribblings starten konnte, meistens jedoch Maxi Thiel, welcher ebenfalls gerne Diagonalität ins Spiel bringt. Allerdings sorgt Letztgenannter dafür eher mit seinen weiträumigen Diagonalläufen, vorzugsweise in den Raum hinter der gegnerischen Abwehrkette. Die Flügelstürmer auf der rechten Seite waren hingegen von Haus aus eher im Halbraum, oder sogar vereinzelt im Zentrum, anzutreffen. Letzteres trifft besonders auf Raffael Korte zu, der öfter auch in den Zehnerraum driftete.

Wenn jedoch beide Außenverteidiger aufrückten und Breite gaben, rückten gleichzeitig beide Flügelstürmer in die Halbräume ein. Dabei zeigte besonders Sören Brandy interessante Bewegungen und Positionierungen. Der in der Offensive polyvalent einsetzbare Brandy hält sich schon von Natur aus sehr oft, meist enorm stark vertikal pendelnd, in den Halbräumen auf. Im 4-1-4-1- System war es hauptsächlich der reche Halbraum, in welchem er sich häufig unterstützend zurückfallen ließ – meist einen Gegner bindend und Raum öffnend – und sich für kurze Ablagen anbot.

Typische Aufbaustruktur im 4-1-4-1. Kessel geht, nach kurzer tieferer Einbindung, z.B. einem einfachen Doppelpass mit Leistner, höher. Viele Gegenspieler gehen diesen Weg aufgrund ihrer Mannorientierung mit. In den geöffneten Raum könnte Leistner dribbeln, um so zum Beispiel die erste Pressinglinie des Gegners hinter sich zu lassen und/oder um veränderte Passwinkel zu generieren. Diese potenzielle Bewegung könnte beispielhaft durch drei simple Wege von den Mitspielern balanciert werden (siehe Ziffern 1, 2 und 3). Auch typisch: Brandys Anbieten im tiefen Halbraum.

Typische Aufbaustruktur im 4-1-4-1. Kessel geht, nach kurzer tieferer Einbindung, z.B. einem einfachen Doppelpass mit Leistner, höher. Viele Gegenspieler gehen diesen Weg aufgrund ihrer Mannorientierung mit. In den geöffneten Raum könnte Leistner dribbeln, um so zum Beispiel die erste Pressinglinie des Gegners hinter sich zu lassen und/oder um veränderte Passwinkel zu generieren. Diese potenzielle Bewegung könnte beispielhaft durch drei simple Wege von den Mitspielern balanciert werden (siehe Ziffern 1, 2 und 3). Auch typisch: Brandys Anbieten im tiefen Halbraum.

Zejnullahu besetzte entweder die Schnittstelle vor den aufgefächerten Innenverteidigern oder kippte, vorzugsweise links, heraus. Dagegen hielt sich Daube im Laufe des Aufbaus immer tiefer auf und kippte gerne in die Räume hinter dem hohen Kessel auf rechts heraus. Dabei offenbarten Zejnullahu und Daube nicht selten Abstimmungsprobleme. Teilweise kippte sowohl Zejnullahu links als auch Daube auf rechts heraus. Infolgedessen war der Sechserraum komplett verwaist. Kreilach, der prinzipiell den Zehnerraum okkupieren sollte, versuchte ab und an solche Staffelungen mit seinen weiträumigen Bewegungen noch zu „retten“. Allgemein war die Entscheidungsfindung beim Ab- und Herauskippen sowohl bei Daube als auch bei Zejnullahu nicht immer optimal. Stellenweise waren diese Positionierungen auch schlicht unnötig, da Präsenz in den zentralen Räumen nötiger gewesen wäre.

 

Der Gegner im recht mannorientierten 4-1-4-1- Mittelfeldpressing. Zejnullahu kippt links heraus. Daube tut es ihm gleich, nachdem Leistner durch den gegnerischen Stürmer, welcher Puncec im Deckungsschatten behält, angelaufen wird. Das löst zwar kleinere Übergabeprobleme beim Gegner, vor allem beim linken Außen- und Innenverteidiger, aus, aber der Sechserraum ist komplett verwaist. Zejnullahu hat nun einen weiten Weg, um diesen Raum wieder besetzen zu können. Einfacher wäre das für den weiträumigen Kreilach. Generell ist die Staffelung in dieser Szene zu flach und mit zu wenigen Verbindungen.

Der Gegner im recht mannorientierten 4-1-4-1- Mittelfeldpressing. Zejnullahu kippt links heraus. Daube tut es ihm gleich, nachdem Leistner durch den gegnerischen Stürmer, welcher Puncec im Deckungsschatten behält, angelaufen wird. Das löst zwar kleinere Übergabeprobleme beim Gegner, vor allem beim linken Außen- und Innenverteidiger, aus, aber der Sechserraum ist komplett verwaist. Zejnullahu hat nun einen weiten Weg, um diesen Raum wieder besetzen zu können. Einfacher wäre das für den weiträumigen Kreilach. Generell ist die Staffelung in dieser Szene zu flach und mit zu wenigen Verbindungen.

In tieferer Zirkulation wurde bisweilen versucht Torwart Daniel Haas, obwohl dieser fußballerisch die eine oder andere Schwäche aufweist, einzubinden und somit auch die Anzahl an (Pass-) Dreiecken zu erhöhen. Die Innenverteidiger konnten stärker auffächern und die Sechser versuchten sich weithin vor den Schnittstellen dieser tiefen Torwartkette anzubieten. Wenn der Gegner allerdings ein (mannorientiertes) Angriffspressing ausführte (wie Braunschweig in der Hinrunde im 5-2-1-2/ 5-2-3) und dabei die ersten Aufbauspieler direkt um Unions Strafraum manndeckte, musste fast ausschließlich der lange Ball vom Torwart herhalten. Der Grund dafür ist ganz offensichtlich jegliches Vermeiden von Risiko, ob der fehlenden Fähigkeiten Haas’ mit Ball und erwähntem generellen Stabilisierungsgedanken. Dabei hätte das variable Bewegungsspiel der zentralen Mittelfeldspieler im Aufbau auch in solchen Situationen das Potenzial gehabt, die gegnerischen Mannorientierungen zu bespielen und daraus einen mannschaftlichen Ertrag zu erzielen.

Die zentralen Spieler bei Union sind zugestellt. Die Grafik ist angelehnt an das Spiel in Braunschweig. Die gestrichelten Pfeile stellen die bevorzugten Bewegungsmuster der Mittelfeldspieler dar, um die Mannorientierungen zu bespielen. Trimmel war grundsätzlich etwas tiefer als Kessel. Skrzybski gab in höheren Bereichen Breite und Brandy rückte ein. Die Braunschweiger Flügelverteidiger orientierten sich an den Flügelstürmern von Union, übergaben diese aber auch an die Mitspieler oder den Raum. Allgemein verhielt sich die Doppelsechs der Niedersachsen positionsorientierter und ging nur situativ Mannorientierungen ein.

Die zentralen Spieler bei Union sind zugestellt. Die Grafik ist angelehnt an das Spiel in Braunschweig. Die gestrichelten Pfeile stellen die bevorzugten Bewegungsmuster der Mittelfeldspieler dar, um die Mannorientierungen zu bespielen. Trimmel war grundsätzlich etwas tiefer als Kessel. Skrzybski gab in höheren Bereichen Breite und Brandy rückte ein. Die Braunschweiger Flügelverteidiger orientierten sich an den Flügelstürmern von Union, übergaben diese aber auch an die Mitspieler oder den Raum. Allgemein verhielt sich die Doppelsechs der Niedersachsen positionsorientierter und ging nur situativ Mannorientierungen ein.

Nach Rückständen verfiel das Team häufig in zu ungeduldige Verhaltensmuster. Wie die meisten Mannschaften in besagter Konstellation, agierten auch die Berliner dann mit zu vielen langen Bällen in teilweise potenziell aussichtsreichen Aufbausituationen. Im letzten Drittel wurde sich zu flach und zu hoch gestaffelt, worunter sowohl das Gegenpressing als auch der defensive Umschaltmoment litt.

Es gibt aber dennoch Positives zu berichten. Wenn der FCU zurücklag, was aufgrund häufiger individualtaktischer Fehler und überdurchschnittlicher Chancenauswertung der Gegner häufig vorkam, stellte Lewandowski mitunter auf ein äußerst interessantes 3-4-3 um. Zum ersten Mal kam dies im Auswärtsspiel gegen den FSV Frankfurt zum Einsatz. Dabei agierten Kessel und Skrzybski als Flügelverteidiger, während sich Brandy und Quaner als Halbstürmer vor allem in den höheren Halbräumen positionierten. Daube versuchte sich im Aufbau vor den Schnittstellen der Dreierkette anzubieten.

Die 73. Minute in besagtem Spiel diente allerdings erneut als Beweis für die schon erläuterten problematischen, teilweise etwas zu überambitionierten, Abkippbewegungen der Sechser. Daube versuchte nämlich ohne Grund in die Dreierkette zurückzufallen und den Sechserraum erneut verwaisen zu lassen (siehe Grafik zur Herauskippproblematik weiter oben). Kreilach hielt sich öfters in höheren Räumen auf. Wahrscheinlich sollte er wohl als Zielspieler für lange Bälle herhalten und zusätzlich aus einer höheren Position noch häufiger in den Strafraum nachstoßen, um dort seine Torgefährlichkeit und Kopfballstärke nach Hereingaben einzubringen.

Die erstaunlichste Entdeckung in diesen 3-4-3-Phasen war allerdings Christopher Trimmel und seine überaus interessante Rolle als vorstoßender Halbverteidiger. Dass Trimmels Fähigkeiten eher denen eines Halbverteidigers, als denen eines Außenverteidigers, entsprechen, wurde bereits seit Längerem vermutet. Nichtsdestotrotz überraschte sein Auftritt und machte deutlich, welches Potenzial und welche Zukunft er auf dieser Position hat beziehungsweise haben könnte.

In Phasen des ruhigeren Aufbaus dribbelte er immer wieder energisch im linken Halbraum an und überwand somit nicht nur die erste, sondern auch teilweise die zweite Pressinglinie des gegnerischen 4-3-3/ 4-4-1-1. Es ergaben sich interessante Synergien zwischen Skrzybski und dem Österreicher. Erstgenannter agierte im Übergang ins letzte Drittel immer diagonaler. Trimmel nutzte die durch die Mannorientierungen des Gegners geöffneten Räume und gab mitunter Breite im letzten Drittel, hinterlief Skrzybski bei dessen inversen Dribblings oder vorderlief ihn nach einfachen Doppelpässen. Das Schema blieb ähnlich: Durchbrüche wurden fokussiert (Video ab 3:33 mit Trimmels Durchbruch und Flanke). Entweder durch vertikale Bewegungen Trimmels und Quaners oder durch Skryzbskis Diagonalität.

Trimmel dribbelte immer wieder dynamisch im Halbraum an. Oft konnte er so einfach die erste Pressinglinie überdribbeln. Nach kurzen Kombinationen am linken Flügel fokussierte er dann auf einfache Durchbrüche, hauptsächlich um sich in Flankenposition zu bringen. So geschehen auch beim zwischenzeitlichen 2:2- Ausgleichstreffer.

Trimmel dribbelte immer wieder dynamisch im Halbraum an. Oft konnte er so einfach die erste Pressinglinie überdribbeln. Nach kurzen Kombinationen am linken Flügel fokussierte er dann auf einfache Durchbrüche, hauptsächlich um sich in Flankenposition zu bringen. So geschehen auch beim zwischenzeitlichen 2:2- Ausgleichstreffer.

Der Knackpunkt der Hinrunde war sicherlich die 0:2-Heimspielniederlage gegen den SC Paderborn. Infolge dessen entschieden sich Lewandowski und sein Trainerteam für die bereits am Anfang des Artikels genannte Systemumstellung. Weg vom insgesamt größtenteils beachtlich ausgeführten 4-1-4-1, hin zum 3-4-1-2.

Grundlegende Formation zu Beginn der Rückrunde.

Grundlegende Formation zu Beginn der Rückrunde.

Seit dem Spiel in Heidenheim, welches sie sogleich mit 0:2 gewannen, führten die Eisernen so gegen den Ball grundsätzlich ein interessantes 5-2-3-Mittelfeldpressing aus. Ex-Kapitän Kreilach positionierte sich zwischen den zwei breiteren Stürmern und gab auch, vor allem im Mittelfeldpressing, situativ die Pressingspitze, indem er aggressiv zum Beispiel auf einen der gegnerischen Innenverteidiger herausrückte, und wodurch sich 5-2-2-1-Staffelungen ergaben. Beim SC Freiburg wurde dagegen ein vertikal extrem kompaktes, klares 5-4-1-Mittelfeldpressing mit breiten Stürmern gespielt. Bei Druckausübung im Mittelfeld war das 3-4-1-2 mit 3-2-2-1-2-Stellungen ebenfalls eine Option.

Hohes Pressing im 5-2-3. Skrzybski nutzt einen Bogelauf, um seinen Deckungsschatten zu „vergrößern“ und den gegnerischen Halbraum abzudecken. Dem ballführenden Innenverteidiger bleiben nur noch die Optionen eines Rückpasses auf den Torwart, eines nicht sonderlich gewinnversprechenden Verlagerungsballes auf den Innenverteidigerkollegen oder das vermeintlich risikolose Anspiel auf den Außenverteidiger. Dieser kann nach erfolgtem Abspiel leicht von Schönheim unter Druck gesetzt werden, während Skrzybski seinen Lauf fortsetzen wird und ebenfalls den Außenverteidiger pressen wird. Dabei hält er dann den rechten Innenverteidiger im Deckungsschatten. Kroos ist hier situativ am Mann orientiert, ebenso Kreilach.

Hohes Pressing im 5-2-3. Skrzybski nutzt einen Bogelauf, um seinen Deckungsschatten zu „vergrößern“ und den gegnerischen Halbraum abzudecken. Dem ballführenden Innenverteidiger bleiben nur noch die Optionen eines Rückpasses auf den Torwart, eines nicht sonderlich gewinnversprechenden Verlagerungsballes auf den Innenverteidigerkollegen oder das vermeintlich risikolose Anspiel auf den Außenverteidiger. Dieser kann nach erfolgtem Abspiel leicht von Schönheim unter Druck gesetzt werden, während Skrzybski seinen Lauf fortsetzen wird und ebenfalls den Außenverteidiger pressen wird. Dabei hält er dann den rechten Innenverteidiger im Deckungsschatten. Kroos ist hier situativ am Mann orientiert, ebenso Kreilach.

Auch Elemente einer pendelnden Viererkette gehörten zum Repertoire. Wenn der ballnahe Flügelverteidiger höher schob, um Druck neben den beiden Sechsern auszuüben, während der ballferne Flügelverteidiger sich in die Kette zurückfallen ließ, waren nicht selten verschobene 4-3-3-Stellungen zu beobachten. Zusammen mit der ohnehin sehr hohen Kompaktheit (sowohl vertikal, als auch horizontal) und der guten Intensität im Pressing wurden vor allem in diesem verschobenen 4-3-3 die Schnittstellen fast optimal verschlossen beziehungsweise abgedeckt. Mannschaften, welche gemeinhin dem Diagonalspiel eine große Rolle beimessen hätten trotzdem noch Lösungen finden können. Nur: Wie viele Teams tun das schon erfolgsstabil in der 2. Liga?

Pressing vom 3-4-1-2 ins verschobene 4-3-3 mit pendelnder Viererkette.

Pressing vom 3-4-1-2 ins verschobene 4-3-3 mit pendelnder Viererkette.

Beide Stürmer pressten situativ aggressiv rückwärts. Ihre ohnehin breite Rolle war außerdem für das offensive Umschalten zumindest nicht hinderlich, da es bekanntlich bei Kontersituationen meist am einfachsten ist, zunächst die Räume hinter den (aufgerückten) gegnerischen Außenverteidigern zu bespielen und zu nutzen.

Eine wichtige Rolle spielte auch das aggressive Herausrücken der Innen- und Halbverteidiger. Durch das weite Verschieben der Sechser in Richtung des Balles und deren zonalen Mannorientierungen wurden vor allem ballfern und im Zwischenlinienraum einige Räume frei. Teilweise nahm dabei das Herausrücken etwas überhand, problematisch war allerdings vor allem auch die individuell schlechte Herausrückdynamik in Verbindung mit inkonsequenter Entscheidungsfindung in solchen Situationen. Zu nennen ist dabei zum Beispiel der 3:2-Anschlußtreffer des 1. FC Nürnberg in der Hinrunde.

Die durch die sehr hohe horizontale Kompaktheit entstehenden ballfernen Räume können im deutschen Fußball wohl ebenfalls nur von einzelnen wenigen Mannschaften beständig erfolgversprechend genutzt werden. Der konstante Druck auf den Ball und das Erzeugen von mindestens Gleich-, oft auch Überzahl in Ballnähe machten genaue Verlagerungsbälle für die Gegner der Köpenicker außerordentlich schwierig. Es resultierten zwangsläufig vielfach Ballgewinne. Mit einer Art „Überladungskonter“ (ES) konnten die umliegenden Räume dann durch jene defensiven Spielfeldverengungen und die daraus entstandenen Staffelungen sofort effektiv bespielt werden. Die Möglichkeit einer Verlagerung auf den breiter agierenden ballfernen Flügelläufer war gegeben. Das Problem hierbei war aber das Fehlen einer erfolgsstabilen Folgestaffelung, da sich sämtliche Kollegen auf der gegenüberliegenden Seite geballt hatten und so schnell keine Optionen im ballnahen Halbraum oder Zentrum anspielbar waren beziehungsweise diese Räume zu langsam besetzt wurden.

In solchen isolierten Situationen ergaben sich zum Teil Ballverluste, die nur schwer wieder auszubügeln waren und zu Lasten der eigentlich angestrebten Stabilität und des gewünschten Rhythmus‘ gingen. Das sehr gute Gegenpressing konnte in solchen Szenen selbstredend ebenfalls nicht genutzt werden.

Obwohl diese Problematik mit der Zeit, vor allem in der Rückrunde, nicht mehr ganz so stark ins Gewicht fiel, wäre es dennoch interessant gewesen, welche weiteren Lösungen Sascha Lewandowski präsentiert hätte. Da die (ballfernen) Flügelläufer im Übergang zum letzten Drittel sowieso immer diagonaler agierten, wäre es beispielsweise denkbar gewesen, dass man solche Verlagerungsbälle im zweiten Drittel mit vorstoßenden, situativ Breite gebenden Halbverteidigern ausführt. Besonders Parensen und Trimmel wären für solche Rollen gut geeignet gewesen. Auf links hätte dann beispielsweise Thiel in den Halbraum einrücken und der ballferne Stürmer ebenfalls zentraler agieren können, um sofort Verbindungen herzustellen. Auch wenn diese Maßnahme zunächst entgegen des Stabilitätsgedanken zu handeln scheint, so wäre sie bei passender Ausführung und richtiger Balancierung auch in defensiver Hinsicht von Vorteil und sicherlich eine Idee wert gewesen. Allgemein sollte man ernsthaft das Konzept ballferner Lokalüberzahlen in Erwägung ziehen. Diese Flexibilität zwischen extremen Lokalkompaktheiten und Überzahl in ballfernen Bereichen (selbstverständlich ohne ballnah unkompakt zu sein und weiterhin gute Verbindungen für eine anspruchsvolle Ballzirkulation zu haben) wäre im Hinblick auf das große Ziel, den Aufstieg in die Bundesliga, Gold wert gewesen.

Beispiel für Lokalkompaktheit mit gleichzeitiger ballferner Überzahl.

Beispiel für Lokalkompaktheit mit gleichzeitiger ballferner Überzahl.

Aufbauspiel im 3-4-1-2

In der Hinrunde sorgten nicht immer ideale, überwiegend zu große, Abstände zwischen den Mannschaftsteilen und Positionen noch für vereinzelte Probleme im schon beschriebenen facettenreichen Spielaufbau. Die Rhythmuswahl sorgte ebenfalls noch für mittelgroße Probleme (oft unnötig begünstigt durch die suboptimale Entscheidungsfindung einzelner Spieler). Auch hierfür wird die Ursache noch aus der Amtszeit Düwels vermutet, in welchem ein äußerst vertikaler Rhythmus offensichtlich war. Nach Balleroberungen wurde, ungeachtet der stellenweise sehr problematischen und unvorbereiteten Staffelungen, fast ausschließlich der Weg nach vorne gesucht. Dieser Umschaltfokus war nicht selten für unnötige Gegentore verantwortlich. Sascha Lewandowski wusste folglich genau, an welchen Schrauben er drehen musste.

Die erste, und leider auch letzte, komplette Vorbereitung unter ihm bewirkte sowohl eine weitere Erhöhung der Eingespieltheit als auch Verbesserung der Abläufe im Rahmen der Strategie des Ex-Leverkuseners. Deutlich wurde dies ebenso bei Betrachten des Aufbauspiels. Das Positionsspiel allgemein, vor allem der Sechser, zeigte sich nochmals verbessert und wies gleichermaßen weniger Abstimmungsprobleme auf. Vereinzelt gab es noch kleinere Staffelungsprobleme, welche allerdings nicht größer ins Gewicht fielen. So beispielsweise in einer Szene in der ersten Halbzeit gegen 1860 als Zejnullahu links ein Stück vor der Dreierkette herauskippte und Kroos gut die Verbindung zum Kosovaren hielt, ohne gleichzeitig den Sechserraum aufzugeben. Der Ball wurde dann auf den sich als rechten Halbverteidiger etablierten Trimmel verlagert, welcher den sich bietenden Raum nutzte und den Angriff, wie so häufig, über die rechte Seite einleitete. Auch das am Anfang der Lewandowski-Amtszeit noch teils problematische Umblickverhalten der zentralen Mittelfeldspieler wurde mit der Zeit immer besser. Oftmals wurden zuvor Möglichkeiten zum Aufdrehen aufgrund fehlender Schulterblicke verschenkt.

In den ersten drei Spielen der Rückrunde wurde die dominanter werdende Rolle von Christopher Trimmel im Aufbauspiel deutlich. So dribbelte er vermehrt stark an und spielte sogar den ein oder anderen anspruchsvollen Laserpass auf sich im Zwischenlinienraum befindende Mitspieler. Durch die Verletzung von Maxi Thiel hat die Asymmetrie in der Rückrunde zudem „die Seiten getauscht“. Flügelverteidiger Kessel war nun auf rechts deutlich höher aktiv als sein Pendant auf links. In Vertretung spielten dort der vielseitige Kenny Prince Redondo oder Fabian Schönheim, welche auf links quasi alle Positionen bekleiden können. Trimmel fand sich zum Teil auch in breiteren Positionen wieder und rückte etwas auf. So zum Beispiel, wenn eine viererkettenartige Aufbaustruktur genutzt wurde und er sich wie ein Rechtsverteidiger verhielt. Situativ gab er in Angriffen auch Breite oder rückte etwas ein. Oft hielt er sich zudem in der Nähe oder direkt in den tieferen Halbräumen auf. Zum Teil startete er mit diagonal-antreibenden Dribblings auch in diese hinein. Grundsätzlich wich seine Rolle also stark von jener des linken Halbverteidigers ab, welcher vor allem auf Absicherung mit dem Innenverteidiger und dem tiefsten Sechser fokussiert war.

Aufbauspiel in Rückrunde . Neuzugang Kroos kippte gelegentlich zwischen die Innenverteidiger ab. Zejnullahu kippte dagegen vermehrt heraus, hauptsächlich auf rechts. Auf dieser Seite dribbelte Trimmel entweder, wenn möglich, aggressiv an oder rückte lateral etwas auf. Bei letzterer Variante waren die Aufbauabläufe wie die einer Viererkette. Kreilach agiert sehr weiträumig, so auch Bobby Wood, der sich immer wieder in Mittelfeldräume fallen ließ. Schönheim war im Aufbau eher passiv und Kessel wirkte teilweise wie ein Halbstürmer.

Aufbauspiel in Rückrunde . Neuzugang Kroos kippte gelegentlich zwischen die Innenverteidiger ab. Zejnullahu kippte dagegen vermehrt heraus, hauptsächlich auf rechts. Auf dieser Seite dribbelte Trimmel entweder, wenn möglich, aggressiv an oder rückte lateral etwas auf. Bei letzterer Variante waren die Aufbauabläufe wie die einer Viererkette. Kreilach agiert sehr weiträumig, so auch Bobby Wood, der sich immer wieder in Mittelfeldräume fallen ließ. Schönheim war im Aufbau eher passiv und Kessel wirkte teilweise wie ein Halbstürmer.

 

Da sich der in bestechender Form befindende Steven Skrzybski zum Rückrundenauftakt ebenfalls schwerer verletzte, erlangte Brandy seinen Status als Stammspieler wieder, was unter anderem auch dem Aufbauspiel zu Gute kam.

Für eine weitere Komponente im Aufbauspiel sorgte der neu verpflichtete Torwart Jakob Busk Jensen, der fußballerisch auf alle Fälle ein Upgrade zu seinem Vorgänger Daniel Haas darstellt. Seine langen Bälle, vorzugsweise bei Abstößen, erreichen mit teilweise erstaunlicher Genauigkeit ihr Ziel, hauptsächlich die eigenen Flügelläufer. Da das Kurzpassspiel des Dänen ebenfalls passabel ist, wäre eine verstärkte Einbindung, zum Beispiel in einer noch klareren tiefen Torwartkette oder auch in höheren Räumen, äußerst interessant gewesen. Man kann nur spekulieren, ob das im Laufe der Saison noch passiert wäre. Unter Hofschneider wurde dieses Mittel jedenfalls auch noch nicht gezielt genutzt.

Im Vergleich zur Hinrunde eroberte Felix Kroos den Stammplatz von Stephan Fürstner und bildete mit Zejnullahu die Doppelsechs. Kroos brachte seine größere Passweiträumigkeit in den ersten Aufbauphasen ein und balancierte die gefühlt noch weiträumigeren Aktionen Zejnullahus. Beim Übergang ins Angriffsdrittel orientierte sich Letztgenannter verstärkt auf den jeweils ballnahen Flügel und agierte mit Hilfe seiner raumsuchenden Dribblings mehrfach auch antreibend. In Folge ebensolcher Dribblings gab er situativ sogar Breite. Nach Verlagerungen auf den ballfernen Breitegeber setzte Zejnullahu immer wieder Diagonallaufwege in Richtung Eckfahne an, um für einen Vertikalpass von Erstgenanntem anspielbar zu sein. Nicht nur in solchen Situationen fokussierte er sich dabei insgesamt noch zu sehr auf die Flügelräume.

Passend dazu kann man festhalten, dass das Angriffsspiel der Unioner mitunter von einem gewissen Flankenfokus geprägt war, „garniert“ mit beständiger Strafraumbesetzung durch bis zu vier Spieler. Neben den beiden Stürmern waren das häufig der ballferne Flügelläufer und Kreilach. Die damit einhergehenden zu flachen Staffelungen schadeten dem sonst weiterhin ausgezeichneten Gegenpressing. Des Weiteren wurde der Mannschaft damit auch die Möglichkeit geraubt, die allemal vorhandenen Kombinationsfähigkeiten und -möglichkeiten konsequent auch in höheren Zonen zu nutzen. Dieser Flügel- und Flankenfokus entsprang vielleicht dem Willen Lewandowskis sich etwas an den Stil der Zweiten Liga anzupassen. Wenn zum Glück auch nur zu einem geringen Grad.

Torgefährlichkeit konnte allgemein stetig durch Offensivstandards ausgelöst werden. Dabei bestachen diese durch Innovativität und Variantenreichtum. 7 der 29 Tore unter Lewandowski wurden direkt nach Ecken oder Freistößen erzielt. Auch hier zeigt sich wieder einmal, dass es sich lohnt mutig zu sein. So besetzten beispielsweise im Spiel beim FCK sieben Mann bei einer Ecke direkt den gegnerischen Strafraum. Wichtig ist dann aber natürlich auch die passende Rückraumbesetzung und Absicherung. Verschiedene einstudierte Varianten und Laufwege sorgten zusätzlich ständig für Gefahr. Großen Einfluss daran hatten und haben selbstverständlich auch die etatmäßigen Standardschützen Dennis Daube und Felix Kroos. Besonders Erstgenannter brilliert mit Punktgenauigkeit und dem Herstellen vorteilhafter Balldynamik.

Besondere Spielertypen und ihre Entwicklungen

Wie bereits geschrieben, hütet Jakob Busk Jensen, am ehesten als Antizipationskeeper zu beschreiben, seit der Rückrunde das Union-Tor. Er löste damit die langjährige Nummer 1 Daniel Haas ab, dessen Spiel insgesamt zu fehlerhaft war, und der der Mannschaft zu selten auch mal „ein Spiel gewann“. Zudem wurde er zwar tief immer wieder, vorwiegend wenn der Gegner hoch presste, eingebunden, jedoch folgten dann oft lange, unvorbereitete Bälle. Nichtsdestotrotz hat er als einer der Leader weiterhin seine Rolle für das Team, wenn auch nur von der Bank aus. Somit ist der im Allgemeinen unterschätzte Mo Amsif nur Torwart Nummer drei. Er besticht sowohl mit starken Reflexen, als auch mit einem potenziell ambitionierten Aufbauspiel. Lediglich bei hohen Bällen weist er die eine oder andere Schwäche auf. Sein Potenzial sollte im Normalfall nicht als dritter Torwart verschwendet werden.

Die überraschendste Entwicklung nach dem Trainerwechsel hin zu Lewandowski nahm in der Abwehr wahrscheinlich Toni Leistner. Der Ex-Hallenser glänzte als zentraler Innenverteidiger in der Dreierkette mit einem umsichtigen Spielaufbau. Wenn aus einer viererkettenartigen Struktur aufgebaut wurde, dribbelte er zudem immer wieder intelligent an, um bessere Passwinkel zu erreichen. Auch defensiv agierte er viel sauberer. Spiele wie das zu Saisonbeginn in Sandhausen (3:4), welches wohl generell in Sachen Endverteidigung und Sauberkeit der Defensivabläufe der Tiefpunkt unter Düwel war, wo Leistner, wie die gesamte Abwehr, vogelwild verteidigte, schienen unter Lewandowski wie aus einem anderen Jahrzehnt – trotz immer noch vereinzelter individual- und gruppentaktischer Probleme. Er rückt oft aggressiv in den Zwischenlinienraum heraus. Meistens bei gegnerischen Abstößen, wo er seine Kopfballstärke einsetzten kann. Des Weiteren ist er, statistisch gesehen, der zweikampfstärkste Spieler der 2. Liga. Auch wenn man solche Statistiken nur mit äußerster Vorsicht genießen sollte, so lässt das Gesamtpaket Leistner das kolportierte Interesse einiger Erstligisten an ihm nur logisch erscheinen.

Gesteigert hat sich auch Michael Parensen, der zu Hinrundenbeginn noch zum Teil Entscheidungsfindungsprobleme, beispielsweise im Herausrücken, hatte. Als Halbverteidiger kann er seine unterschätzte Zweikampfstärke ebenfalls noch mehr einbringen. Seinen Platz als Halbverteidiger hatte ebenfalls auch Christopher Trimmel gefunden. Als Außen- oder gar Flügelverteidiger fehlte ihm oft die Dynamik und Durchschlagskraft. Seine Flanken sind überdies leicht zu verteidigen. Er fokussierte sich im letzten Drittel dann oft zu sehr auf den Flügel, ohne erkenntlichen Versuch den Ball in den Halbraum oder das Zentrum zu verlagern und sich aus der Isolation zu befreien. Die folgenden Flanken(-versuche) sind leicht zu verteidigen. Problematisch waren dabei selbstverständlich ebenfalls die schon beleuchteten zu flachen, strafraumfixierten Staffelungen. Wie bereits erklärt, konnte er als Halbverteidiger vermehrt seine Dribbling- und Aufbaustärke einbringen. Welche Rolle Neu-Coach Jens Keller für ihn vorsieht, und welche weitere Entwicklung er in der nächsten Saison nimmt, wird sicherlich spannend zu verfolgen sein.

Positiv hervorheben muss man zudem Kenny Prince Redondo, welcher unter Lewandowski hauptsächlich als eine Art Standardjoker für die Position des linken Flügelläufers zum Einsatz kam. Der Neuzugang aus Unterhaching beeindruckt in vielerlei Hinsicht. Zu nennen wären da erst einmal seine Gegenpressingqualitäten. Seine Awareness und sehr gute Entscheidungsfindung, zusammen mit einem faszinierenden Antritt, erlauben Redondo nach Ballverlust der eigenen Mannschaft enorm schnell umzuschalten und den Gegner, oft mithilfe der Deckungsschattennutzung, unter Druck zu setzen. Eine Situation, die dadurch direkt zu einem Tor führte, gab es im Testspiel vor der Saison gegen Crystal Palace (2:0). Redondo eroberte den Ball links an der Grundlinie sehr stark von einem offensichtlich schon länger in der englischen Premier League spielenden, merklich verblüfften Gegenspieler zurück. Seine Hereingabe verwandelte Skrzybski.

Bereits zu diesem Zeitpunkt konnte man erkennen, welches Talent sich Union da schnappte. Der Halb-Spanier brilliert zudem mit einer für einen Außenbahnspieler starken Übersicht und Passreichweite. Gemeinsam mit seiner beachtlichen Pressingresistenz findet er auch in engen Räumen gute Lösungen und ist stark in kleinteiligen Kombinationen. Auch seine Positionierungen sind oft passend. Im Laufe der Saison agierte er immer diagonaler und kombinativer. Redondo ist definitiv der Geheimtipp im Union-Kader.

Auf der Sechserposition findet man mit Eroll Zejnullahu das nächste große Union-Talent. Obwohl er vereinzelt noch Probleme beim Herausrücken hat – hier sollte er zum Beispiel seinen mäßigen Antritt noch stärker in Korrelation mit seinem generellen Herausrücktiming setzen – machte er unter Lewandowski weitere Fortschritte. Die Weiträumigkeit seiner Pässe konnte er, neben seinen defensiven Qualitäten, ebenso steigern. Der Kosovare besitzt obendrein die Möglichkeiten, das gegnerische Gegenpressing im Alleingang auszuhebeln. Hierfür nutzt er seine exzellenten Dribblingfähigkeiten. Manchmal lässt er sogar mehrere Gegner allein mit Körpertäuschungen aussteigen. Teilweise wirken solche Szenen grotesk, wenn er sich beispielsweise gegen drei oder vier Gegenspieler behauptet. Grotesk ob der Brillanz Zejnullahus sich offenbar spielend leicht aus diesen engen, unangehmen Situationen zu befeien. Allerdings verliert er noch zu viele Bälle in statischen Situationen, wo ihm Geschwindigkeitsnachteile im Dribbling und seine partiell selbstverantwortete Optionslimitierung auf die Füße fallen und er die eigene Mannschaft immer wieder in eine missliche Lage bringt. Hier muss er die Entscheidungen, wann er seine Dribblings einsetzt, gezielter an die Staffelungen und den Rhythmus des Teams anpassen.

Im Aufbau nimmt er eine dominante Rolle ein. Obwohl er das eine oder andere Mal Schwierigkeiten mit der Verarbeitung von leicht ungenauen Anspielen bei drohendem Gegnerdruck hat, und er dabei einen ziemlich hölzernen und ungelenken Eindruck macht, hilft ihm seine generell hohe Pressingresistenz natürlich auch im Spielaufbau. Häufig tendiert er jedoch dazu, sich zu sehr in Richtung Flügel zu orientieren. In tiefen Aufbauphasen kippt er, wie schon vielfach in diesem Artikel erläutert, gerne neben die erste Aufbaulinie heraus. In höheren Räumen, im zweiten und sogar oft letzten Drittel, versucht er sein Kombinationspotenzial ebenfalls vor allem in den Flügelräumen einzubringen. Durch seine sehr weiträumige Art ist er dabei so gut wie immer in Ballnähe und löst mit Bedacht Engen auf. Interessanter wäre es, wenn der 21-jährige sich stärker an den Halbräumen orientieren und effektiver Verbindungen ins Zentrum oder in höhere Räume, wie den so wichtigen Zehnerraum, schaffen würde. Meine, nicht sonderlich steile, These lautet dennoch: Zejnullahu wird man in nicht allzu ferner Zukunft in der Bundesliga sehen. Fragt sich nur ob mit Union oder einer anderen Mannschaft, welche diesen, in Zeiten von Geschwindigkeits- und Athletikwahn, besonderen Spieler einzubinden versteht.

Mit Steven Skrzybski hat ein weiteres Talent aus der eigenen Jugend in dieser Saison den Status als Stammspieler erlangt. Nachdem er unter Düwel auf sämtlichen Positionen eingesetzt wurde, unter anderem auch als Achter und als eine Art Flügelläufer, fand er unter Lewandowski seinen unumstrittenen Platz als Stürmer neben Bobby Wood. Letztgenannter gefällt mit unterstützendem Zurückfallen in den Zehnerraum oder den Halbräumen, was mitunter sehr weiträumig ausgeführt wird, und geschicktem Rückwärtspressing. Seine Dribblingfähigkeiten, Durchschlagskraft und Abschlussstärke verhalfen dem US-Nationalspieler zum Durchbruch in der Rückrunde. Skrzybski selbst fällt in Aufbausituationen nicht so oft zurück, ragt aber immer wieder mit großartiger Diagonalität heraus. Aus breiteren Positionierungen nutzt er clevere Dribblings und seine hohe Spielintelligenz, um im letzten Drittel immer wieder für Gefahr zu sorgen.

Die grandiose Individual- und verfeinerte Schusstechnik des Ur-Berliners sind nur das i-Tüpfelchen einer ganzen Reihe großer Qualitäten. Es scheint, als habe Skrzybski in allen Bereich einen Schritt nach vorne gemacht. Defensiv findet er fast immer das richtige Anlauftiming. Gern nutzt er geschickt Bogenläufe, um zentrale Anspielstationen mit seinem Deckungsschatten „unanspielbar“ zu machen und den Gegner nach außen zu lenken. Seine hervorragende Entscheidungsfindung hilft ihm somit nicht nur, wenn die eigene Mannschaft den Ball besitzt, sondern auch beim Pressing und während Umschaltphasen. Bei Kontern verwertet er sinnvoll sich ihm bietende Räume und im Gegenpressing fällt er durch eine gute Intensität auf.

Die fleischgewordene Spielintelligenz bei Union ist Sören Brandy, der im Offensivbereich sämtliche Positionen bekleiden kann. Der „Thomas Müller der 2. Liga“, wie ich ihn aufgrund seiner ähnlichen, und ähnlich besonderen, Spielweise gern nenne, wird leider immer noch viel zu häufig auf seinen Kampfgeist reduziert. Zudem werden ihm seine fehlenden individualtechnischen Fähigkeiten oft zur Last gelegt. Alles in allem wird er von der breiten Masse mehr oder weniger als Durchschnittsspieler angesehen. Eine fatale Fehleinschätzung.

Dass der Ex-Paderborner im Aufbauspiel mit einer in den Halbräumen vertikal pendelnden, zirkulationsuntersützenden Rolle imponiert, wird schon weiter oben im Artikel durchgedrungen sein. Unter anderem öffnet er somit Räume und hilft beim anschließenden Bespielen dieser mit weitsichtigen Ablagen und Weiterleitungen. Im Angriffsdrittel fällt er mit raumdeutenden und gewieft- lauernden Aktionen auf (siehe Müller).

Nach Ballverlust geht er sofort geistesgegenwärtig ins Gegenpressing über. Fast alle seine Handlungen wirken intuitiv perfekt der jeweiligen Situation angepasst. So kann man ihn zum Beispiel auch getrost als genial in allen Pressingphasen bezeichnen. Sei es im Gegenpressing, im „normalen Pressing“ oder im, landläufig unterschätzten, Rückwärtspressing. Sein enorm weiträumiges Spiel in allen Spielphasen wird durch die stets sehr hohe Intensität und Anlaufdynamik in jeglichen Pressingszenarien nicht gemindert. Etliche Balleroberungen gehen auf sein Konto. Welches Ausmaß das annehmen kann, war erst kürzlich im Spiel in Paderborn (0:4) zu sehen, in welchem die, zugegebenermaßen indisponierten, Ostwestfalen vor allem in der ersten Halbzeit enorm viele Ballverluste im Spielaufbau hatten. Immer mittendrin Sören Brandy, der in diesem Spiel wohl endgültig seine Masterarbeit mit dem Titel „Erfolgreiches (Rückwärts-)Pressing“ gemacht hat. Unter Sascha Lewandowski hatte der 30-jährige nach der Systemumstellung seinen Stammplatz verloren. Auf seine Dienste als Einwechselspieler wollte der Coach allerdings fast nie verzichten. Brandy kannte diese Rolle noch zu gut aus Paderborner Zeiten, wo er sich den Ruf als Super-Joker erarbeitete. Nach Übernahme von Hofschneider war damit aber Schluss und Brandy durfte seine unorthodoxe Spielweise wieder von Spielbeginn an beweisen. Hoffentlich bleibt dies, im Sinne aller Fußballliebhaber, auch in der kommenden Saison so.

Hofschneider und Bönig mit flexiblen Formationen

Grundlegende Formation unter Hofschneider.

Grundlegende Formation unter Hofschneider.

Im ersten Spiel nach Bekanntgabe der (zunächst dreichwöchigen) Pause für Sascha Lewandowski stand das Heimspiel gegen den KSC (2:1) an. Intermimstrainer André Hofschneider entschied sich für eine überraschende Abkehr von der Dreierkette. Verteidigt wurde in einem 4-1-4-1, welches durch diverse Mannorientierungen auch 4-1-2-2-1-/ 4-1-2-3-/ und 4-4-2- hafte Staffelungen erzeugte. Die Achter orientierten sich an den gegnerischen Sechsern, während die Flügelstürmer selbiges mit den Außenverteidigern des KSC taten. Kreilach verfolgte sogar das Abkippen Peitz’ zwischen die Innenverteidiger und erzeugte dadurch auch unsaubere, verschobene 4-2-2-2- Staffelungen. Nach der roten Karte früh in der zweiten Halbzeit für Kreilach formierte sich die Mannschaft in einem 4-4-1, in welchem die Sechser neben Stürmer Wood herausrückten. In tieferen Zonen ergaben sich auch 6-2-1-/ 6-2-1-0-/ 5-3-1-/ 5-4-0-Stellungen.

Das Aufbauspiel blieb allerdings grundsätzlich auf einem vergleichbaren Niveau wie zuvor. Ebenso wie die Flexibilität in selbigem. Die Innenverteidiger fächerten auf, die Außenverteidiger gaben Breite und Daube kippte als alleiniger Sechser vor allem links heraus. Vermehrt ergab sich auch eine 2-3-Staffelung im Aufbau, wenn Trimmel etwas tiefer als Parensen agierte, während Daube links herauskippte und Kroos sich vor der Schnittstelle der Innenverteidiger positionierte. Brandy zeigte als rechter Flügelstürmer sein gewohnt dominantes Zurückfallen in die tiefen Halbräume. Wood dagegen fiel noch weiträumiger als zuvor für Dribblings und Ablagen zurück. Nach dem Platzverweis und der Führung war die Viererkette aus Absicherungsgründen nun relativ flach. Die beiden Sechser und Wood unterstützen den Spielaufbau in Folge dessen noch großräumiger und aktiver. Das Positive daran: hohe, lange Schläge sollten demnach offenbar nicht als Plan A für die Ergebnissicherung herhalten.

Angesichts des ordentlichen Debüts von Hofschneider war das folgende Spiel bei Fürth (0:2) umso erstaunlicher. In negativer Hinsicht. Das 4-4-2-Mittelfeldpressing war noch strikter mannorientiert und dadurch sehr unsauber. Es ergab sich eine gewisse Unkompaktheit und Zugriffslosigkeit in allen Zonen. Symptomatisch dafür stand das 0:1 aus Unioner Sicht (Video ab 0:27). Fürth verlagerte den Ball vom rechten Halbraum auf den links Breite gebenden Flügelstürmer Freis. Sofort herrschte ein Zuordungsproblem zwischen Trimmel (RV) und Daube (RM). Letztgenannter lief dann unpassenderweise Freis an. Der eigentliche Gegenspieler Daubes, Linksverteidiger Gießelmann, erhielt den Ball und fand im linken Halbraum viel Raum und Zeit vor, da die Berliner sehr langsam nachschoben. Trimmel entscheidet sich dann doch, trotz viel zu langem Anlaufweg, auf Gießelmann herauszurücken. Es folgte ein einfacher Diagonalpass von Stiepermann auf den mittlerweile durchgestarteten Freis, der den Führungstreffer markierte. Die großen Intensitäts- und Kompaktheitsprobleme in allen Richtungen wurden hier gnadenlos aufgedeckt und ausgenutzt. Im Idealfall hätte Trimmel auf Freis herausrücken und Daube die entstehende Halbraumlücke zwischen dem Zentrum und Trimmel sichern sollen und gleichzeitig Gießelmann im Auge behalten können.

In der zweiten Halbzeit waren die Mannorientierungen nicht mehr ganz so strikt und wurden etwas flexibler ausgeführt. Folglich wurden die Übergabe- und Zuordnungsprobleme kleiner. Auch die Aufbaustaffelung wurde etwas verändert. Linksverteidiger Parensen war nun auch direkt höher und gab Breite, während Redondo (LM) nun in den Halbraum einrücken konnte. Die Sechser kippten wie gewohnt flexibel heraus und ab. Die unpassenden Aufbauabstände der Innenverteidiger zum Rest des Teams wurden somit ebenfalls etwas verringert. Fürth war jedoch weiterhin die dominierende Mannschaft und gewann hochverdient mit 2:0. Die Mannorientierungen sollten infolge der Systemumstellung wohl Stabilität und höheren Zugriff mit sich bringen. Der Plan scheiterte und letztlich war sogar das genaue Gegenteil der Fall.

Der mannorientierte Ansatz gegen den Ball blieb auch die nächsten Spiele bestehen. Wenn auch bei Weitem nicht so rigoros und unflexibel wie gegen die Mittelfranken. Gegen Braunschweig und den FSV Frankfurt wurde jeweils ein 4-1-4-1- Mittelfeldpressing mit mal mehr und mal weniger vielen und strikten Mannorientierungen genutzt. Fast immer waren jedoch die Achter an ihren Gegenspielern orientiert. Daraus ergaben sich nicht selten 4-3-2-1- oder 4-3-3- Staffelungen. Die Spieler aus der Viererlinie hinter dem Stürmer rückten auch situativ heraus und behielten ihren nominellen Gegenspieler im Deckungsschatten. Brandy als linker Flügelstürmer lief so zum Beispiel gegen den FSV auch den rechten Innenverteidiger Barry an, während er Rechtsverteidiger Huber wissentlich im Deckungsschatten verschwinden ließ.

Gegen die Frankfurter wurde zudem ein gewisser Linksfokus sichtbar. Parensen, der diesmal als Sechser agierte, und Kreilach kippten variabel links heraus, um die gegnerischen Mannorientierungen zu bespielen. Da er dauerhaft links herauskippte wirkte Parensen wie ein Halbverteidiger und das Aufbauspiel wie das einer Dreierkette. Kroos als nominell zweiter Achter neben Kreilach übernahm die verwaiste Sechserrolle und besetzte den Raum vor den Innenverteidigern. Im Übergang vom zweiten ins letzte Drittel rückte Christopher Quiring zudem als rechter Flügelstürmer extrem weit nach links ein. Vereinzelt gab er situationsbedingt sogar Breite auf dem linken Flügel, während Linksverteidiger Schönheim tiefer blieb und auch im Spielaufbau eher passiv agierte. Es entstanden interessante Linksüberladungen. Rechtsverteidiger Kessel blieb hingegen rechts Breitegeber für eventuelle Verlagerungen, welche wohl nur minder erfolgreiche Aktionen zur Folge gehabt hätten angesichts der aus Lewandowskis Zeit bekannten extremen Ballung im linken Halbraum und am linken Flügel.

Linksüberladungen waren auch in den folgenden Spielen immer mal wieder zu sehen, wenn der dribbelstarke Quiring besagtes weites Herüberrücken ausführte. Gegen den Ball belauert der Fanliebling sehr aufmerksam potenzielle Rückpässe des Gegners. Sein sehr schneller Antritt und der niedrige Köperschwerpunkt verhelfen ihm dabei solche Pässe im Idealfall abzufangen oder den Gegner zumindest unter Druck zu setzen. Dabei zeigt sich bei ihm eine generelle Eigenschaft der gesamten vorderen Pressinglinien bei Union: Rückpässe des Gegners werden aggressiv verfolgt. Der pressende Spieler nutzt dann seine aufgebaute Geschwindigkeit und bricht nicht nach dem ersten Rückpass ab, sondern presst weiter durch, mitunter bis auf den gegnerischen Torwart. Das gegnerische Team muss dann sehr häufig den langen Ball als letzten Ausweg wählen.

Der Spielaufbau verbesserte sich, wie das Gegenpressing, in den nächsten Wochen immer weiter. Auf diesem Weg waren kleinere Ausreißer nach unten nicht zu vermeiden – so zum Beispiel gegen Braunschweig. In der ersten Halbzeit konnte man dort sogar eine 3-0-7-hafte Aufbaustaffelung „bestaunen“.

Am Millerntor bei St. Pauli wurde die extreme Weiträumigkeit von Zejnullahu, vor allem wie gewöhnlich in den Flügelräumen, nochmals deutlich. Brandy gab in diesem Spiel den einzigen Stürmer, hielt sich aber trotzdem oft in tieferen Räumen auf, pendelte in der Horizontalen oder fiel vorzugsweise im gewohnten rechten Halbraum zurück. Quiring gab in solchen Situationen überwiegend die benötigte Tiefe. Auffallend war in diesem Spiel auch Adrian Nikci. Der polyvalente Schweizer bekleidete die Rechtsverteidigerposition und imponierte mit guten Gegenpressingaktionen, einem ordentlichen Passspiel und einem Hang zur Diagonalität. Letztere führte er vermehrt mit Doppelpässen und anschließendem Diagonallaufweg oder aber auch direkt mit Diagonaldribblings im zweiten oder tieferen letzten Drittel aus.

Die Raute

Im Match beim SC Paderborn packten Hofschneider und sein Assistent Bönig dann erstmals die Raute im Mittelfeld aus. Nach einem furiosen Start und einer 4:0-Führung nach 36 Minuten wurde das Spiel danach ausgeglichener. In jener Anfangsphase bestach das 4-3-3-Mittelfeldpressing mit vielen Ballgewinnen. Vor allem die erste Pressinglinie aus Wood, Brandy und Zehner Kreilach wusste dabei zu überzeugen. Auch 4-3-1-2/ 4-1-2-1-2 -artige Staffelungen waren, besonders im höheren Pressing, keine Seltenheit. In tieferen Pressingphasen hatte Kreilach, wie in der 3-4-1-2- Zeit unter Lewandowski, eine Art „schwimmende“ Position inne. Kollege ES hat dies bereits in seinem Artikel beschrieben.

Grundlegende Formation mit Raute.

Grundlegende Formation mit Raute.

Auch im Auswärtsspiel gegen Nürnberg nutzte Union ein 4-3-3-Mittelfeldpressing mit 4-3-1-2- Staffelungen. Kreilachs situative Orientierung an Behrens und sein aggressives Anlaufen der ersten Nürnberger Aufbaureihe resultierte ebenfalls in 4-3-2-1- Stellungen. Aus Ergebnissicherungsgründen wurde besonders in Endphasen gern auf ein 4-5-1 umgestellt, unter anderem um die Breite mit doppelter Flügelbesetzung besser absichern zu können. Gegen den FCN agierte der eingewechselte Redondo als linker Mittelfeldspieler allerdings zugleich sehr weiträumig mannorientiert gegen Rechtsverteidiger Brecko.

In besagtem Spiel gab es einen Fokus auf Überladungen einer Seite mit anschließender Verlagerung auf den aufrückenden ballfernen Außenverteidiger. Meistens wurde dies durch eine Verlagerung von rechts auf Parensen ausgeführt. Eine der folgenden Halbfeldflanken führte auch zum 0:1 durch den variabel einsetzbaren Nikci, der diesmal als Stürmer aufgestellt wurde. Er wusste mit intelligenten Positionierungen und Laufwegen sowie guten Ballbehauptungen und Dribblings Eindruck zu hinterlassen. Generell entstand aber ein von Halbfeldflanken geprägtes Offensivspiel der Berliner.

Vor dem Heimspiel gegen Bochum Ende April proklamierte Hofschneider dann öffentlich „den Ballbesitz im Spielaufbau ein bisschen mehr erhöhen“ zu wollen, indem er Stephan Fürstner, von Haus aus defensiver Mittelfeldspieler, in die Innenverteidigung beorderte. Damit strebte er wohl, trotz auf den ersten Blick etwas verwirrender Wortwahl, das weitere Verringern der Anzahl langer Bälle im Spielaufbau an. Fürstner sollte sowohl seine, im Vergleich zu Puncec und vor allem Pogatetz, höhere Pressingresistenz im eigenen Ballbesitz einbringen, als auch in der Rolle als „offensiver denkender Abwehrspieler“ (O-Ton Hofschneider) Bochums Wandspieler Simon Terodde das Leben schwermachen.

Der Plan ging nur bedingt auf. Während Terodde keinen großen Einfluss auf das Spiel hatte, musste Union jedoch auf viele weite Schläge statt vermehrte Flachpassstafetten zurückgreifen. Verbeeks Bochumer stellten den Aufbau der Berliner an deren Strafraum konsequent zu. Die typischen Mannorientierungen wurden zum Teil weiträumig ausgeführt, auch im Mittelfeldpressing. Trotz der erwähnten langen Bälle konnte sich das Heimteam aber auch ein ums andere Mal von hinten flach herauskombinieren. Aus der rautenhaften 4-3-1-2- Formation wurde meist eine flexible 2-3-Aufbaustaffelung mit tieferem Parensen (LV), Daube und breiterem Kroos vor den Innenverteidigern verwendet. Nennenswert war noch, dass Kessel zum Teil situativ hineinkippte, mitunter sogar bis in den äußeren Halbraum. Ansonsten wurde im zweiten Drittel, ähnlich wie in Nürnberg, die rechte Seite gern überladen und anschließend auf den nachrückenden Parensen verlagert. Die Stürmer Brandy und Wood agierten zudem breiter. Das typische weiträumige Zurückfallen Brandys war in diesem Spiel nicht zu sehen. Unterstützt von verbessertem Gegenpressing und anhaltender Offensivstandardstärke gelang Union so letztlich der Sieg.

FAZIT

Unter André Hofschneider und Sebastian Bönig konnte Union den Positivtrend in den Ergebnissen aus dem Ende der Lewandowski-Ära bestätigen. Mit dem Abstieg hatten sie dann auch relativ schnell nichts mehr zu tun. Zwei Spieltage vor Schluss ist sogar Platz 5 in Reichweite. Die Ausführung der Strategie, welche sich, so schien es, stark an der Lewandowskis orientierte, war allgemein ein bisschen inkonstanter und unterlag gewissen Schwankungen. Insgesamt hatte die Mannschaft jedoch etwas mehr Spielglück – insbesondere verglichen mit der Anfangszeit unter Lewandowski. So stabilisierten sich die Resultate, was nicht zuletzt natürlich auch an der taktisch-strategischen Überlegenheit im Vergleich zu den allermeisten Ligakollegen festzumachen ist. Ob diese Überlegenheit Union Berlin auch unter Jens Keller erhalten bleibt, ist fraglich.

Die Amtszeit von Sascha Lewandowski jedenfalls war zwar nicht besonders lang, aber dafür sehr intensiv und für die Spieler äußerst lehrreich. Der hoch angesehene Fußballlehrer hat in relativ kurzer Zeit die Spielweise der Mannschaft fast schon revolutioniert. Sein fortschrittliches, originelles Training findet hauptsächlich in Spielformen statt. Durch den ganzheitlichen Lehransatz wird jeder Spieler unter ständiger Verbindung zur Spielidee auf höchstmöglichem Niveau gefordert und gefördert. Ballbesitzschwerpunkt, geduldigerer und flexiblerer Spielaufbau, intensiveres und kompakteres Pressing, erhöhte Halbraumbedeutung und ein beeindruckendes Gegenpressing. Das sind, in Kurzzusammenfassung, die Verdienste Lewandowskis. Man könnte es auch folgendermaßen ausdrücken: Er ließ Fußball spielen.

Über Chris Winkler

Befürworter von innovativem Fußball mit Anspruch auf Dominanz in allen Spielphasen.
Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Ein Kommentar

  1. Kann jemand etwas mehr zu Damir Kreilach sagen? Wirkt auf mich wie ein sehr interessanter Spieler, der in vielen Rollen denkbar wäre. Meint ihr, er hätte auch die Qualität für die 1. Liga?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert