Nachdem wir uns zuletzt etwas enttäuscht über unser heimliches Lieblingsteam Rayo Vallecano gezeigt hatten, brauchte es neue Impulse, Ballbesitz, aber glücklicherweise doch keinen Flug nach Spanien oder gar nach Südamerika. Denn manchmal findet sich im vom typischen 4-2-3-1/4-4-2 dominierten, ja: beherrschten, Deutschland auch abseits der Bundesliga die ein oder andere hochinteressante Mannschaft. Zum Beispiel in Stuttgart. Jedoch nicht bei den Roten, bei denen ein älterer Herr seiner Leidenschaft zum mannorientierten 4-4-1-1 freien Lauf lässt, sondern bei den Blauen, die man fast schon gänzlich aus dem Sinn verloren hätte, wäre am 30. September 2013 nicht ein gewisser Horst Steffen als neuer Cheftrainer vorgestellt worden.
Dieser hatte unmittelbar nach seiner Spielerkarriere, die ihn unter anderem zu Borussia Mönchengladbach und zum MSV Duisburg brachte, die Trainerlaufbahn eingeschlagen. Nach zwei Jahren beim SC Kapellen-Erft, führte es ihn erneut zu eben diesen beiden Vereinen, nun jedoch in umgekehrter Reihenfolge. Bevor sich sein alter Weggefährte Michael Zeyer, seines Zeichens Sportdirektor bei den Kickers, an den Fußball-Lehrer erinnerte, kümmerte er sich zuletzt in der U19 von Borussia Mönchengladbach um die Entwicklung vielversprechender Talente wie etwa Yunus Malli oder (mit Abstrichen) Sinan Kurt.
Steffen übernahm die Mannschaft vom Degerloch in prekärer Situation, auf Platz 18 in der Tabelle liegend. Er führte sie anschließend auf einen soliden achten Tabellenplatz und einige Zweifelnde zu der Einsicht: Trainer mit Konzept sind die besseren Feuerwehrmänner. Bereits zur Winterpause spielte er mit dem Gedanken, das zunächst genutzte 4-2-3-1/4-4-2 gegen ein 4-3-3 auszustauschen, hob sich diesen Plan aber zunächst für die daran anschließende Spielzeit auf, wo er nahezu vollständig aufgehen sollte. Die Stuttgarter Kickers haben sich vom Abstiegskandidaten zu einer Spitzenmannschaft entwickelt, von der beispielsweise Stefan Krämer, Trainer von Energie Cottbus, gar behauptet sie sei die „fußballerisch beste der Liga“. Trotz unterdurschnittlichen Marktwertes. Trotz unterdurchschnittlichen Etats.
An kleinen Details wird das große Ganze mitunter erst so wirklich sichtbar, wie unscheinbar sie zunächst auch sein mögen, wie irrelevant für ein kurzfristiges Ergebnis vielleicht auch. Die Stuttgarter Kickers verlieren in Cottbus mit 2:0, aber bereits an Teilen ihres Aufwärmprogramms könnte man merken, dass man es da trotzdem mit einer besonderen Mannschaft zu tun hat. Beide Teams spielen eine Form des 5 gegen 5 mit 2 freien Spielern. Bei den Hausherren stehen sie innerhalb des recht schmal abgesteckten Feldes, bei den Gästen außerhalb. Erstere beschäftigen sich recht kurz mit dieser Spielform, fünf Minuten etwa, um sich anschließend umso ausgiebiger dem Torschusstraining zu widmen. Die anderen nehmen sich mehr Zeit. Es gibt mehrere kurze, aber recht intensive Durchgänge, bei denen Horst Steffen am Rand steht und bei angekommenen Pässen energisch applaudiert. Abschließend noch ein paar Torschüsse. Man sollte dem nicht zu viel beimessen, in der Tat. Doch dann sieht man die Stuttgarter Kickers so spielen wie gegen Hansa Rostock und man kommt nicht umher, sich im Rahmen einer etwas genaueren Analyse mit dieser Mannschaft zu befassen.
Beim Juego de Posición geht es um Strukturen, um Zonenbesetzungen, um Dreiecke, um lokale Überzahlen, um positionelle Dynamik und letztlich entscheidend um die möglichst permanente Destabilisierung des Gegners; und das alles in einer ballorientierten Ausrichtung des Kollektivs. Jeder Trainer, der seinem Spiel eine derartige Philosophie zugrunde legt, bestimmt dabei gewisse Richtlinien und Grundsätze, die unter möglichst hoher Variabilität und Unberechenbarkeit eingehalten werden sollen. Dabei gibt es nicht so etwas wie eine reine Lehre, die es dogmatisch und stur einfach nach festgelegtem Muster umzusetzen gilt. Trotzdem muss Pep Guardiola als so etwas wie der Übervater gelten, an dem man seine Version punktuell misst, obwohl gerade die unterschiedlichen Spieler sowie ihre divergierenden Eigenschaften und Qualitäten einen Vergleich schwierig bis unmöglich machen. Es braucht jedoch keinen Kader von Weltformat, um eine Art des Positions- beziehungsweise, nach meinem Dafürhalten etwas passender, Zonenspiels erfolgreich zu praktizieren. Das zeigt nicht nur die Mannschaft von CD Palestino aus Chile, sondern eben auch jene aus dem Süden Stuttgarts.
Der Grundstein: Tiefe Zirkulation und Spielaufbau
Auch dem weniger geschulten Beobachter sticht nach spätestens wenigen Minuten das wohl prägendste Stilmittel der Stuttgarter Kickers ins Auge: Kapitän Vincenzo, genannt Enzo, Marchese fällt im Aufbauspiel fast schon dauerhaft zwischen die beiden Innenverteidiger zurück, die sich im Gegenzug sehr breit positionieren, während je nach Situation beide oder einer der Außenverteidiger extrem weit hochschieben.
Hierfür liegen zwei Gründe auf der Hand, die beide damit zu tun haben, dass praktisch alle Gegner in der 3. Liga gegen den Ball im 4-4-2 spielen:
Erstens kann man so in der ersten Linie auf eine ständige Überzahl bauen, welche die Ballzirkulation generell erleichtert. Auch gegen ein früheres und aggressiveres Pressing hat man stets eine Anspielmöglichkeit, zumal Torwart Korbinian Müller ebenfalls eingebunden werden kann. Dies löst er in der Regel souverän und technisch absolut zufriedenstellend, nur manchmal zeigt er gewisse Unsicherheiten, die aber meistens nicht zu einer unmittelbar gefährlichen Situation sondern zu gegnerischen Einwürfen führen. Gegen ein tieferes Mittelfeldpressing kann Marchese den Ball so lange vorwärts treiben bis einer der beiden Stürmer ihn attackiert und dadurch zwangsläufig Platz für einen der aufrückenden Innenverteidiger schafft. Gerade Stein nutzt dies des Öfteren, um in den, zumeist mit Unterstützung der Achter, geöffneten Raum hineinzudribbeln.
Zweitens: Die extrem hochstehenden Außenverteidger werden oft mannorientiert von den jeweiligen äußeren Mittelfeldspieler verfolgt. Dies schafft ebenfalls Raum für das beschriebene Vorrücken eines Innenverteidigers oder für das Herauskippen eines Achters. Außerdem entstehen aus diesen Mannorientierungen im späteren Verlauf des Angriffs beim jeweiligen Gegner 6er-Ketten-artige Gebilde mit verringerter Präsenz im Mittelfeld und oft gerade auch im strategisch wichtigen Zehnerraum.

Zusätzlich zu den hochstehenden Außenverteidigern, verstehen es die Achter sehr gut sich aus dem Deckungsschatten der beiden gegnerischen Stürmer zu lösen, ehe diese darauf wirklich reagieren können. Fällt dann noch der Mittelstürmer ins Mittelfeld zurück, so können sich (in der Grafik durch Fragezeichen verdeutlicht) enorme Schwierigkeiten beim Gegner ergeben, was die Zuständigkeiten angeht. Die Stabilität in der Mitte kann zumindest für einen kurzen Moment gefährdet sein. Das reicht in vielerlei Fällen schon aus, um einen Nutzen zu erzeugen.
Wird der Ball tief auf eine Seite zum jeweiligen Innenverteidiger gespielt, bringt sich der ballnahe Außenverteidiger unterstützend ein, auch der ballnahe Achter und Flügelstürmer lassen sich fallen, um Anspielmöglichkeiten zu kreieren. Der Sechser positioniert sich zusätzlich so, dass er stets anspielbar bleibt. Auch der ballferne Achter rückt etwas näher heran, um für anschließende Pässe bereitzustehen.

Hier ist ebenfalls das Spiel mit dem Deckungsschatten des jeweiligen Gegenspielers von hoher Bedeutung. Links tief entsteht Raum, der nach schneller Verlagerung für Vorstöße des jeweiligen Innenverteidigers genutzt werden kann.
Im Aufbauspiel gilt es möglichst eine Balance zwischen ballnaher Überzahl und diagonal ballfernen Möglichkeiten zu kreieren. Einerseits dient das weite Vorrücken des Außenverteidigers letzterem. Gleichzeitig kommt dem ballfernen Achter eine gewichtige Rolle zu, was das Gleichgewicht zwischen beiden genannten Optionen angeht. Einerseits muss er kombinativ nutzbar bleiben, andererseits besteht seine Rolle nach diagonaler Verlagerung auf den ballfernen Außenverteidiger darin, die Jagd auf etwaige Ablagen und vor allem auf zweite Bälle zu forcieren. Auch der ballferne Flügelstürmer ist hier mit einer gewissen Bedeutung versehen. Er kann des Weiteren ebenso wie der Mittelstürmer für Kopfballverlängerungen in die Tiefe zur Verfügung stehen. Die beiden können beispielsweise auch durch Läufe in verschiedene Richtungen für Zuordnungsschwierigkeiten beim Gegner sorgen.
Insgesamt funktioniert die Ausführung mal gut und mal weniger. Das Vorhaben der Balance entpuppt sich schließlich nicht allzu selten als ein Drahtseilakt zwischen zu großen Abständen und zu kleinräumigen Kombinationsmöglichkeiten, zwischen Halbraumfokus und Vernachlässigung des Zentrums. Gerade gegen aggressiv attackierende Gegner kann es immer wieder zu Schwierigkeiten kommen, wenn das Aufbauspiel nicht mehr ganz so entspannt und geordnet verläuft wie üblich. Dann können auch die Innenverteidiger nicht derart aktiv am Spielgeschehen teilnehmen, etwaige zu große Abstände fallen in solchen Fällen ebenso mehr ins Gewicht.

Ideal: ballnahe Kombinationsmöglichkeiten, gepaart mit ballferner lokaler Überzahl. Relative Unberechenbarkeit trotz klarer Strukturen.
Aus dem bisher Beschriebenen lassen sich sogleich einige Grundsätze ableiten, die kennzeichnend für das Spiel der Stuttgarter Kickers sind:
Ein erhöhter Fokus auf die jeweiligen Halbräume ist zu beobachten, die mindestens doppelt, oft aber auch mit 3 Spielern besetzt sind. Für Breite sorgen die Außenverteidiger stets praktisch alleine und die Mitte wird vom ballverteilenden Sechser übernommen, situativ aber eben manchmal auch von einem der Achter oder sogar von beiden. Es fallen weiterhin vor allem ballnah die stets vorhandenen zurückfallenden Bewegungen eines Stürmers auf: Die letzte Linie wird zumeist von zwei Angreifern besetzt, aber nicht stets von den gleichen beiden, sondern je nach Ball- und Gegnerposition im fluiden Wechselspiel.
Sturm nach der Ruhe
Ist das Aufbauspiel zumeist noch eine eher ruhige Angelegenheit, so wird es anschließend häufig stürmischer, das heißt: vertikaler. Das Laufen-Lassen des Balls dient schließlich nicht dem Selbstzweck, den Ball in seinen Reihen zu haben, sondern es macht das eigene Team zum Agierenden, der den Gegner in Unruhe hält, der nutzbare Lücken aufreißen will, die dann auch sogleich genutzt werden.
Wenn nicht schon zuvor ein langer Diagonalball erfolgte, so ist es vor allem Enzo Marchese, der in passenden Situationen kluge Bälle mit Hang zur Vertikalität in sich auftuende Schnittstellen des Gegners anbringt. Für die Erzeugung dieser ist zunächst überhaupt wichtig, dass der Gegner in einer stetigen Verschiebebewegung gehalten wird. Zusätzlich sind die Achter, wie bereits erwähnt, dazu angehalten, sich aus dem Deckungsschatten der Gegner zu entfernen und sich so anspielbar zu machen. Alternativ ist bei mannorientierten Mannschaften zusätzlich ein Auseinanderziehen der Sechser denkbar, was auch praktiziert wird. Zusätzlich kann sich noch einer der Angreifer lösen, um einen Gegenspieler mit sich zu ziehen und so Raum zu öffnen oder sich als Ablagenspieler einzusetzen.

Mal eine Szene mit hohem Fokus auf die Mitte, der in konkreter Situation jedoch wenig kombinativ ausgestaltet ist. Stein wird zwar gut freigespielt, doch die Folgeaktionen sind nicht ganz optimal aufeinander abgestimmt. Trotzdem gut zu sehen: Außenverteidiger als alleinige Breitengeber.
Je nach Spiel dominiert diese direkte Herangehensweise, so dass die Präsenz im zweiten Drittel nicht immer gegeben ist. In der besten Ausführung werden jedoch die beweglichen Achter eben dort angespielt, worauf die Spieler in Ballnähe mit dreiecksbildenden Aktionen reagieren und so die Voraussetzung für ein schnelles, oft auch direktes Kombinationsspiel schaffen. Dieses fokussiert sich dennoch eher auf ein Durchbrechen und ist mitunter zu aufgedreht, indem es oft darauf ausgerichtet wirkt, keine Option auslassen zu wollen anstatt die wirklich erfolgsstabil anmutenden Optionen konsequent und geduldig auszuspielen.
Ein verstärkter Fokus auf das Kombinationsspiel im zweiten Drittel hätte jedenfalls das Potential, die Mannschaft auf ein höheres Niveau zu bringen. Hierfür böten sich noch mehr Bewegungen der Angreifer ins Mittelfeld an, womöglich so, dass die letzte Linie wechselnd nur von einem Spieler besetzt wird. Außerdem wäre ein vermehrtes Einrücken des ballnahen Außenverteidigers oder gar beider Außenverteidiger zumindest ein Gedankenspiel wert, etwa in Verbindung mit einer variableren Flügelbesetzung. Das mannorientierte Verfolgen würde erschwert oder die gegnerischen Übergabemechanismen fokussiert werden – darunter könnte zwar situativ die Breite leiden, aber die Ballzirkulation profitieren, genau so wie das Gegenpressing.

Halimi und Leutenecker behindern sich dadurch, dass sie am Flügel auf einer Linie stehen, gegenseitig. Edwini-Bonsu positioniert sich hingegen recht klug im Zwischenlinienraum. Die anderen Spieler könnten für mehr Präsenz in der ziemlich unkompakten Chemnitzer Mittelfeldbesetzung sorgen. Baumgärtel könnte sich ballfern im Halbraum oder am Flügel postieren für ein 1vs1 nach Verlagerung, was etwas Juego de Posición-mäßiger daherkommen würde.
Oft arbeiten die Kickers bereits gezielt mit Flügelüberladungen, bei denen zum Teil auch ein Flügelstürmer unterstützend von der anderen Seite hinzukommt und die sich durchaus auch in den Halbraum verlagern können. Immer wieder spielen die Außenverteidiger dann aus ihrer breiten Position diagonale Pässe in Richtung des Zentrums. Von elementarer Bedeutung für die Abschlussfähigkeit im letzten Drittel zeigt sich die enorme Besetzung des Strafraums, sobald der Ball in tornäheren Gebieten kontrolliert wird.
Durch unterschiedliche, ebenso nachrückende wie fallende, aber auch ziemlich lineare Bewegungen im Zentrum, die idealerweise nur schwer zu kontrollieren sind, soll insbesondere Raum für das Abnehmen flacher Hereingaben in den Rücken der Abwehr („Cutbacks“), aber auch normaler Flanken geschaffen werden. Selbst diese funktionieren ganz gut, weil teilweise gezielt bestimmte Zonen besonders fokussiert angelaufen werden. Ohne genug Spiele gesehen zu haben, um eine wirkliche Klassifikation vorzunehmen, kann man der Mannschaft des Weiteren eine gewisse Stärke bei Standards attestieren. Auch hier werden bestimmte Zonen häufig besonders stark besetzt, indem dort Pärchen gebildet werden, die sich aneinander festhalten oder kleinere, eng beisammenstehende Gruppen, welche die Zuordnung bei der üblicherweise praktizierten Manndeckung erschweren.

Wenn schon flanken, dann wenigstens mit Anstand und Intelligenz: Interessante lokale Überladung im Strafraum trotz gegnerischer Überzahl. Daraus resultiert beinahe ein Tor von Soriano.
Die Stuttgarter Kickers sind neben den beschriebenen Ballbesitzansätzen gleichzeitig auf ein schnelles Umschaltspiel ausgerichtet. Nach möglichst hohen Balleroberungen bewegen sich die umliegenden Spieler rasch nach vorne, oftmals mit guter Aufteilung, die nicht auf starre Positionen sondern auf das adäquate Besetzen von Zonen abgestimmt ist. So taucht der linke Achter Sandrino Braun schon mal auf der Position des rechten Flügelstürmers auf oder der linke Außenstürmer besetzt das Zentrum. Dieser extreme Auf-/ und Nachrückfokus hat teilweise eine gewisse Anfälligkeit für Gegenkonter zur Folge, vor allem wenn die Außenverteidiger etwas zu vorschnell nach vorne ziehen und so Raum auf den Flügeln hinter sich lassen, den sie nach Ballrückeroberung nicht mehr so schnell schließen können.

Ziemlich extreme, aus einer Kontersituation entstehende, Staffelung, die zunächst etwas zu flach ist, sich aber im Laufe des Angriffs noch verändern kann. Für das Abfangen eines Gegenkonters stünde ohnehin Daniel Bai…ähh Enzo Marchese bereit.
Zwischen kompakter Zugriffslosigkeit und unkompaktem Zugriff
Die Defensive bleibt bei der Mannschaft von Horst Steffen überhaupt ein zweischneidiges Schwert. Sie pressen bei Spielaufbau des Gegners stets hoch (und manchmal noch höher) im 4-3-3, das dabei ein wenig variieren kann. Manchmal lassen sich klar drei Ketten oder zumindest kettenartige Gebilde dabei beobachten. In anderen Fällen gleicht die Ausrichtung eher einem 4-2-1-3, bei dem der Sechser sehr hoch schiebt. Gewissen Gegnern soll ein geordnetes Aufbauspiel gar nicht erst ermöglicht werden und der Torwart wird bei Ballbesitz umgehend von einem oder sogar zwei Stürmern attackiert, was zumindest dahingehend erfolgreich ist, die Präsenz im Mittelfeld und bei der Rückzugsbewegung jedoch einschränken kann.
Die Mannschaft arbeitet mit vielen herausrückenden Bewegungen auf den Ballführenden und versucht diesen im besten Falle mit drei bis vier Spielern unter Druck zu setzen. Dafür rückt der Achter vermehrt auf den Flügel heraus, um den Flügelstürmer zu unterstützen. Hinzu kommt noch der nachrückende Außenverteidiger. Der Rest des Teams schiebt ebenfalls zur Seite hinüber, wodurch eine ziemliche Enge entsteht, die den Gegner in Richtung der Seitenlinie drängt. Spielt er dann doch einen erfolgreichen diagonalen Pass in Richtung Mitte, reagiert der Sechser blitzartig mit einer Bewegung zum Ball, idealerweise schon Augenblicke bevor der Pass tatsächlich gespielt wird.
Auch in der Mitte ziehen sich die Stuttgarter Kickers lokal manchmal extrem eng zusammen, so dass ein Vorwärts-Spielen für den Ballführenden nahezu unmöglich wird und er den Ball wieder nach hinten geben muss, worauf wiederum mit herausrückenden Läufen reagiert wird, die den Gegner dauerhaft nach hinten drängen.

Lokale Kompaktheit, wie sie kaum schöner sein kann. „Wohin nur mit dem Ball?“, fragt der Gegner verzweifelt.
Es handelt sich um eine Form der Kompaktheit, die für Deutschland insbesondere in der 3. Liga eher ungewöhnlich erscheint. Entweder man legt den Fokus erfolgreich darauf, möglichst wenig Abstand zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen zu lassen und passiv zu agieren oder dieses Vorhaben misslingt und es tun sich große Lücken auf, ohne dass Druck auf den Ballführenden erzeugt wird.
Im Mannschaftsverbund betrachtet wirken die Stuttgarter oft unkompakt. Mehrere gegnerische Spieler können sich im Raum zwischen Abwehr und Mittelfeld postieren, ohne dass es großartig jemanden interessieren würde. Der Clou liegt dabei darin, um den Ball herum möglichst eng zu stehen und es sozusagen im Voraus zu verhindern, dass die sich auftuenden Lücken überhaupt bespielt werden. Dies klappt oft erstaunlich gut. Sollte die Mittelfeldlinie dann doch überspielt werden, zeichnen sich die dort postierten Akteure durch ein hervorragendes Rückwärtspressing aus, das gerade in Verbindung mit herausrückenden Aktionen eines Innenverteidigers überaus effektiv ist.

Zwischen Abwehr und Mittelfeld tut sich zwar ein Loch auf, doch die gegnerischen (in diesem Fall Chemnitzer) Spieler können diesen gar nicht erst nutzen, da lokal Druck auf den Ball ausgeübt wird und eine gewisse Kompaktheit herrscht.
Dass diese Spielweise gewisse Risiken birgt, sollte dabei natürlich trotzdem klar sein. Käme zum lokalen Druck und zur Kompaktheit noch selbiges auf Mannschaftsebene hinzu, würde der Gegner sich ungleich schwerer tun. Die Abwehrkette könnte sich dazu noch etwas höher postieren, um so den Zwischenlinienraum zu schließen. Dies scheint jedoch einigermaßen bewusst noch nicht zu geschehen, um die Gefahr, welche von Bällen in die Tiefe ausgeht, einzudämmen. Mögliche Gründe hierfür könnten der beim Abfangen langer Bälle nicht immer ganz sichere Korbinian Müller oder schlichtweg die etwas mangelnde individuelle Klasse der Abwehrreihe darstellen, für die es mitunter noch schwer wäre, die Balance zwischen einer hohen Position und dem Abfangen von Bällen in ihren Rücken erfolgsstabil zu halten.
Die aktuelle Spielweise lebt von einer Intensität, die aber auch möglichst dauerhaft aufrechterhalten werden muss, damit der Gegner die auftretenden Unkompaktheiten möglichst wenig ausnutzen kann.

Zwar sind ballnah viele Spieler versammelt, die auch recht eng beisammen stehen, doch so wirklich erzeugt niemand Druck auf den Ballführenden, für den ein Seitenwechsel denkbar einfach zu bewerkstelligen ist. Nur mit großer Laufarbeit und viel Intensität kann die anschließende Situation dann verteidigt werden. Stichwort: „zu hohe“ Kompaktheit – Müssen rechts vier Spieler nahezu auf einer Linie stehen?
Was zweifelsohne ziemlich gut funktioniert, ist das Gegenpressing, bei dem einige Spieler den Ballführenden direkt unter Druck setzen, während die anderen den Raum verknappen und auch mögliche Anspielstationen zustellen. Daran beteiligt sich praktisch die gesamte Mannschaft mehr oder weniger.
Sobald sich das Spielgeschehen in die eigene Hälfte verlagert, verweilen die Angreifer jedoch vielfach in ihrer ursprünglichen, zu hohen Position und schalten sich erst im weiteren Verlauf mit in die Abwehrarbeit ein, um defensive Staffelungen zu erzeugen, die von 4-1-4-1 über 4-1-3-2 bis zu 4-4-2 führen. Dies hängt allerdings auch zu einem guten Stück von den individuellen Spielertypen ab. Überhaupt sollte dieser Aspekt in Bezug auf die bestmögliche Spielweise ebenso wie mit Blick auf die Resultate nicht vernachlässigt werden.
Die Einzelkönner und das Kollektiv – über entscheidende Feinheiten
Um das Positionsspiel wirklich konsequent durchzuführen und konstant durchzuhalten, braucht es stetig kleine Aktionen, die sich ins Gesamtmuster so einfügen, dass sie es nicht zum Einsturz bringen. Das ist möglicherweise ein Punkt, an dem man eine gewisse Starrheit dieser Philosophie zu erkennen vermag. Der einzelne bekommt zwar durch die Strukturen bei guter Ausführung viele Möglichkeiten geboten, zwischen denen er eine große Wahlfreiheit hat. Doch gerade diejenigen, welche nicht in Ballbesitz sind, müssen sich nach gewissen Vorgaben bewegen, die zwar von Situation zu Situation variieren, aber sich doch grundsätzlich ähnlich sind. So ist beispielsweise festgelegt, in welchen Zonen eine Überzahl erzeugt werden soll. Hierin liegt ebenfalls eine gewisse Ausrechenbarkeit, wenn stets die gleichen Spieler in den gleichen Zonen die gleichen Aufgaben übernehmen.
Dies ist jedoch nicht der Wesenszug eines solchen Positionsspiels, sondern vielmehr Folge einer schwächeren Ausführung respektive eines nicht vollständigen Verständnisses der Spieler. Deswegen taugt der Begriff Zonenspiel an sich auch besser als Beschreibung: Es soll in einer gewissen Zone eine ausspielbare Überzahl erzeugt werden. Egal durch wen. Dafür braucht man Spieler, die die Situationen verstehen, aber nicht zwingend Weltfußballer sein müssen. So etwas kann durch den Trainer mit der Zeit vermittelt werden. Trotz der recht kollektiven Spielart ist somit die Ausführung und Anpassung des Einzelnen an konkrete Spielsituationen weiterhin entscheidend. Interessant, dass im allgemeinen Sprachgebrauch am ehesten Spielern mit hervorragender Schusstechnik oder gutem Dribbling individuelle Klasse nachgesagt wird. Ist die richtige Positionierung und das gute Ausführen eines Passspiels etwa keine Fähigkeit des jeweiligen Individuums? Gut, Lionel Messi vereint alle dieser Fähigkeiten.
Ein solcher Spieler ist Besar Halimi nicht ganz. Schließlich füllt er auch eine andere Rolle aus. Doch bei ihm ist schon ein Hauch dessen erkennbar, was man individuelle Klasse nennen kann. Vor allem die selbst oder gerade in Engen überaus geschmeidigen, klug eingesetzten Dribblings wissen ein ums andere Mal zu entzücken. Damit zieht er am liebsten einige Spieler auf sich, um im Anschluss einen gut getimten Pass zu einem Mitspieler zu bringen.
Darüber hinaus werden einige weitere Stärken Halimis allerdings erst im Verbund mit seinen Mitspielern, allen voran Sandrino Braun und Enzo Marchese, sichtbar. Ihre beste Saisonphase hatten die Stuttgarter Kickers folgerichtig als diese drei Spieler konstant gemeinsam das 3er-Mittelfeld besetzen konnten und vorne der ebenso abschluss- wie spielstarke Soriano wirkte.
Viele der Mechanismen, die ich zuvor beschrieben habe, hängen maßgeblich von diesen Akteuren ab. Seien es die Abstände im Aufbauspiel oder das Gegenpressing – mit ihnen klappt alles eine ganze Ecke besser. Schauen wir uns zur Einordnung einmal zwei Szenen mit herausrückenden Bewegungen an, die zwar in unterschiedlichen Situationen vorkamen, aber dennoch eine gewisse Aussagekraft über den jeweiligen Spieler besitzen.

Harakiri-Herausrücken von Fennell ohne Netz und doppelten Boden. Statt den gegnerischen Angriff etwas zu verzögern, wie es eher angebracht gewesen wäre, bietet er Cottbus eine Menge bespielbaren Raum hinter sich an, der sogleich gewinnbringend für das Führungstor genutzt wird.

Einer der gegnerischen Sechser wird mit dem Rücken zum Feld angespielt. Marchese schnellt heraus, um ihn gemeinsam mit den Angreifern zu isolieren.
Enzo Marchese erinnert von seinen Bewegungsabläufen und von seinen Aktionen nur zu gerne an Daniel Baier. Eine weitere, eher traurige Parallele liegt zusätzlich darin, dass die herausragenden Fähigkeiten der beiden allzu lange nicht wertgeschätzt wurden beziehungsweise sich allzu spät erst auf einem höheren Niveau zeigten. Marchese erkennt Situationen teilweise enorm weit im Voraus. So rückt er etwa schon etwas „zu früh“ heraus, um einen Gegenspieler dann genau in dem Moment zu erreichen, in dem er an den Ball kommt. Darüber hinaus hat er, im Gegensatz zu Vertreter Fennell, ein herausragendes Gespür dafür, wann ein Verlangsamen des gegnerischen Angriffs sinnvoller erscheint als ein aggressives Vorspreschen, das ihn womöglich nur noch beschleunigen würde. Von seinen teils perfekt gespielten langen Diagonal-/ und Vertikalpässe war bereits die Rede. Auch Kurzpassspiel beherrscht er in beeindruckender Manier.
Sandrino Braun komplettiert das Mittelfeld. Er besitzt zwar nicht ganz so großartige Fähigkeiten wie die anderen beiden, dafür aber eine große Wichtigkeit, was die optimale Ausführung des Spielsystems angeht. Gerade im Gegenpressing rückt er teils weit heraus, jedoch nicht blind oder wild, sondern genau richtig an die Aktionen des Gegners angepasst. Zusätzlich reichen seine technischen Fertigkeiten allemal dafür aus, um den gewonnen Ball direkt weiterzuspielen oder selbst das Dribbling zu suchen.
Im Verbund beherrschen die drei es sehr gut, defensiv wie offensiv Tiefenstaffelungen zu erzeugen, indem sie hervorragend auf die Aktionen der jeweils anderen reagieren. Geht Marchese energisch auf den Ballführenden, setzen sich die anderen beiden etwas nach hinten ab. Presst Braun mittig, gleicht ein anderer seine Aktion aus, indem er etwas zur Seite rückt. Ich sagte es anfangs bereits und hier schließt sich dieser Kreis: Es sind derartige scheinbare Kleinigkeiten, die einen großen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg im Fußball ausüben können. Es sind dies die Dinge, welche den Fußball zu dem spannenden Gebiet machen, das er ist.
Vieles habe ich nun schon erzählt von dieser Mannschaft, doch es bleiben eben genauso unzählige Kleinigkeiten unerwähnt, die ich entweder noch nicht entdeckt oder noch nicht in ihrer Wichtigkeit erkannt habe. Deshalb: Schaut euch doch einfach mal selbst ein Spiel an und nehmt das hier gleichzeitig als Fazit: Eine derartige Analyse kann niemals ein Ende sein, sondern sie ist vielmehr ein Anfang und ein Ansporn, sich selbst intensiver mit einer Thematik zu befassen.
Vielen Dank an René und Nils für den ein oder anderen wertvollen Tipp und überhaupt für die Idee, das Ganze in dieser Form hier aufzubereiten.
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Toller Beitrag, der auch viel Mühe und Arbeit gekostet hat. Danke.
Heute ist Pfingsmontag, die Kickers-Welt liegt am
Boden. Wie soll es nur weitergehen?
Schmeisst als erstes den Trainer und Zeyher, so
schnell es geht raus, sie sind die wahren Toten-
gräber der Kickers gewesen.
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Großes Lob an den Autor! Vin großer Fan der Blauen und habe fast jedes Heimspiel gesehen. Ich finde deine Analyse sehr gelungen. Die Aufrechenbarkeit des Spiels die genannt wurde war wie ich fand im letzten Drittel der Saison ein Manko. Wer sich fragt warum es für eine solch tolle Mannschaft nicht zum Aufstieg gereicht hat muss wissen: Genau dieses Mittelfeldtrio, das der Autor in höchsten Tönen gelobt hat, wurde im letzten Drittel der Saison durch Sperren und Verletzungen auseinander gerissen. Meiner Meinung nach der Hauptgrund für den schlechten Abschluss des Saisonfinales
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klasse Studie, beeindruckend die Analysen!
starkes Team-Porträt, Danke und grosses Lob dafür. Obwohl ich diese Saison viele Spiele gesehen habe sind (v.a im Defensivspiel) Punkte dabei, die mir so nicht aufgefallen sind bzw. die ich spontan etwas anders bewertet hätte. Ein Anreiz nochmal genauer und mit anderem Blickwinkel hinzuschauen.
Klasse! Würde mich sehr über eine ähnliche Analyse zu Dirk Schusters Darmstädter Lilien freuen.
Danke! Weiter so!
Vielen Dank für die Analyse. Aber eine Anmerkung
„vom Degerloch“ ist falsch.
Degerloch ist kein Loch, sondern eine Erhöhung.