Dänemark – Belgien 1:2

In einem taktisch sehr interessanten Duell schlägt Belgien die Dänen spät, dank einer intelligenten Anpassung zur Halbzeit und de Bruynes individueller Qualität.

Grundformation

Beide Mannschaften liefen im 3-4-3 auf, wobei Belgien eher im 3-4-2-1 auflief. Wohingegen bei Dänemark die drei vorderen Spieler stärker auf einer Linie agierten.

Pressing der Dänen 

Die Dänen pressten aus ihrem 3-4-3 heraus. Dabei war die Zuordnung sehr klar, da sie die Formation der Belgier spiegelten. Die drei vorderen Spieler (Damsgaard, Poulsen, Braithwaite) liefen die Dreierkette von Belgien an. So wurde der Ball auf einen der Halbverteidiger gelenkt, dieser wurde dann seitlich aus dem Halbraum heraus angelaufen, sodass die Sechser im Deckungsschatten gefangen waren und die Passwege in den höheren Halbraum versperrt wurden. Dahinter nahmen Höjbjerg und Delaney die beiden Sechser von Belgien mannorientiert auf. Diese Mannorientierungen zogen sich durch das ganze Spiel ohne Ball.

Belgien hatte mit dem Pressing große Probleme, da sie auf der ersten Linie immer ein 3-gegen-3 hatten, sie konnten also nicht wie gegen Russland über horizontale Ballzirkulation die Halbverteidiger frei spielen und in der ersten Pressinglinie des Gegners Verschiebebewegungen provozieren. Trotzdem probierten sie ähnliche Lösungen zu finden wie gegen Russland. Das könnte daran liegen, dass sie nicht besonders viele anstoßende Bewegungen haben, sondern fest aus ihrer Grundstruktur über leichte Veränderungen der Höhe probieren die Zuordnung des Gegners zu knacken. So ließ sich auf der linken Seite Hazard oft neben Vertonghen fallen, um Rausrückbewegungen von Wass zu provozieren und den Halbverteidigern eine sichere Passoption zu geben. Diese Bewegung konnte Dänemark aber gut pressen. Der äußerste Stürmer schob dann einfach weiter und kappte den Passweg zum Halbverteidiger oder ins Zentrum und Wass konnte frontal pressen und vertikale Pässe verhindern. Durch die angepasste Positionierung von Hazard oder auch von Meunier wurde ihre Struktur sehr flach. Carrasco musste sich im zweiten Drittel entscheiden, ob er die höhere Position am Flügel besetzt oder im Halbraum bleibt und bei langen Bällen können sie nicht direkt nachschieben und auf die zweiten Bälle gehen. 

Ballbesitzspiel der Dänen

Das Pressing war in gewisser Weise auch das Herzstück ihres Spiels mit Ball. Wenn sie den Ball hoch gewannen, schalteten sie sofort schnell um. Schon am ersten Spieltag hatten sie die meisten High Press Shots

Da sie die Bälle hoch gewannen, brauchten sie keine langfristig angelegten Strukturen mit Ball, sondern konnten sich darauf fokussieren schnell Durchschlagskraft zu entwickeln. Dabei hatten sie trotzdem ein paar simple und effektive gruppentaktische Muster, die gegen Belgien gut funktionierten.

Die drei vorderen Spielern positionierten sich auf der letzten Linie und standen sehr hoch, es gab keinen so starken Bindung an die Halbräume. Stattdessen rückte Braithwaite oft zum Flügel hinter Hazard und konnte dort die Bälle erhalten. Durch seine breite Positionierung konnte er Räume öffnen, die die sehr vertikalen Sechser und der nachstoßende Wass gut anliefen. Der vorderlaufende Wass konnte auch die belgischen Sechser wegziehen und horizontale Passwege öffnen. So kamen sie trotz der breiten Position sehr sauber ins Zentrum. Von dort konnten sie dann Verlagern. Auf der linken Seite rückte Dammsgaard sehr geschickt situativ in die Halbräume ein, so konnten sie über zwei Pässe verlagern und mussten nicht direkt ganz raus spielen und Damsgaard konnte in höhere 1-gegen-1 Situationen mit Alderweireld kommen. 

Die Grafik beginnt bei Braithwaite

Aus dieser Struktur haben sie durch nachschiebende Bewegungen der Wing-Backs seitliche 1-gegen-1 Situationen hergestellt (wie z.b bei der Chance von Maehle in der ersten Hälfte) und über Bälle hinter die Kette und Tiefenbewegungen (plus zweite Bälle) die Angriffe schnell und durchschlagsorientiert zu Ende gespielt. 

Grundsätzlich haben sie durch ihre Struktur mit Ball und die sichere Ballzirkulation die Belgier oft sehr tief gebunden und durch die Nachschiebebewegungen am Flügel flache Staffelungen provoziert, aus denen Belgien nicht schnell umschalten konnte. So konnten sie die Angriffe sehr vertikal zu Ende spielen und hatten trotz der aggressiven Besetzung der letzten Linie wenig Probleme im Gegenpressing und bei Konterangriffen. 

Pressing der Belgier in der ersten Hälfte

Wenn Dänemark den Ball etwas tiefer zirkulieren ließ, pressten die Belgier teilweise sehr wild. Bei Dänemark ließen sich die Wing-Backs ebenfalls etwas tiefer fallen. Allerdings presste Belgien Maehle und Wass nicht mit ihren Wing-Backs, da die Wing-Backs durch die breite Position von Damsgaard oder Braithwaite tief gebunden waren. Oft ging dann einer Sechser zum Flügel und presste diagonal nach außen. Dadurch entstanden situativ 2-gegen-1 Situationen im Zentrum, die die Dänen über leichte Chipbälle bespielen konnten. Im Zentrum drehten die Sechser dann schnell auf und konnten die Angriffe klar zu Ende spielen. 

Die xG Zahlen der ersten Halbzeit verdeutlichen sehr gut, wie überlegen Dänemark auftrat und wie wenige Lösungen Belgien gegen ihr Pressing und ihr Spiel mit Ball fand. 

Umstellung in der zweiten Hälfte

In der zweiten Hälfte konnten beide Mannschaften einen xG von 0,9 generieren. Die Hälfte ist also deutlich ausgeglichener, was man natürlich auf die Qualität von de Bruyne und Hazard zurückführen kann. Allerdings kam durch die Einwechselung nicht nur mehr Qualität auf den Platz auch die strukturellen Probleme aus der ersten Halbzeit konnte Martinez dadurch gut beheben. 

Dafür muss man erstmal einen Blick auf die Probleme in der ersten Halbzeit werfen: Mertens mangelte es komplett an der Einbindung, er konnte kaum ins Spiel integriert werden und durch die tief gebunden Wing-Backs fällt auch die Verbindung zu Lukaku weg, die im ersten Spiel gegen die Russen noch für einen Großteil der Durchschlagskraft gesorgt hat. Außerdem ist ihre Struktur mit Ball sehr symmetrisch, auch gegen Russland konnten sie sich nur einen xG von 1,6 herausspielen. Das ist nur 0,7 mehr als der Wert der Finnen im Duell mit Russland. Die Halbstürmer sind an die Halbräume gebunden, sie starten oft aus diesen, dadurch sind die Halbräume früh besetzt, es gibt keine dynamische Besetzung und die starre Struktur erlaubt auch keine wirklichen Positionswechsel. Sowohl horizontal als auch vertikal gibt es wenige Rochaden zu sehen. Durch de Bruyne Einwechslung wurde die Statik ihrer Grundstruktur etwas aufgebrochen. De Bruyne rückte ins Sturmzentrum und Lukaku ging auf Position von Mertens. Dadurch gibt es schon von den Profilen der Spieler eine asymmetrische Ausrichtung. Außerdem wurde Lukaku besser ins Spiel eingebunden, er musste nicht mehr aus einer zentralen Position Anbindung ans Spiel finden, sondern konnte aus seitlicheren Räumen das Spiel ankurbeln. Wenn Meunier tiefer stand, konnte er über simple long-line Pässe den Ball erhalten, dann hatte er zwar keine direkte Anschlussoption, konnte den Ball aber erstmal tief fest machen. Außerdem wurden durch die Bewegungen zum Flügel Maehle tiefer gebunden oder Vestergaard musste zum Flügel rücken.

De Bruyne kann aus der zentralen Position freier in verschiedene Räume ausweichen, da er über mehr fallende Bewegungsmuster verfügt (Gerade die sind bei Lukaku nicht besonders stark ausgeprägt, er kommt eher über horizontale Bewegungen und gut getimte, aber kurze Bewegungen ins Mittelfeld. Siehe diesen Artikel).

Anhand der beiden Tore wird die Wirkung der Umstellung sehr gut sichtbar:

1:1 von T.Hazard

Beim 1:1 gewinnen sie auf der rechten Seite den Ball. De Bruyne lässt sich etwas in Richtung des Balles fallen und wird direkt von Meunier angespielt, Lukaku zieht leicht nach außen und de Bruyne spielt ihn direkt an. Mit etwas Glück kommt der Ball zu ihm und er kann direkt hinter Vestergaard starten. Durch die fallende Bewegung von de Bruyne steht Kjaer etwas zu hoch und muss nun aus einer höheren Position diagonal von hinten auf Lukaku pressen. Das kann Lukaku einfach ausnutzen, in dem er sich den Ball an ihm vorbeilegt. Den Rest spielen können sie dann sehr einfach zu Ende spielen. 

2:1 von De Bruyne

Beim 2:1 startet Lukaku einen Lauf in die Tiefe von Vestergaard aus. Durch seine Bewegung attackiert er die seitlichen Räume neben Vestergaard und hinter Maehle. In der ersten Halbzeit hat er seine Tiefenläufe deutlich zentraler gestartet, dadurch lief er von Kjaer los und lief dann schnell in die Zuordnungszone von Vestergaard. Durch die seitliche Position konnte er besser die freien Räume anlaufen und sich auch früher für die Pässe der Halbverteidiger anbieten. Nach dem Pass auf Lukaku muss Kjaer rausrücken und Vestergaard muss sich hinter Kjaer bewegen. Dadurch wird eine Verschiebebewegung provoziert, die zwar simpel ist, aber trotzdem durchgeführt werden muss. Nach dem Lukaku sich schön aufdreht und die Abwehr zum Flügel zieht, kann Belgien dann über schnelle Verlagerungen de Bruyne am zweiten Pfosten frei spielen.

Die Tore gibt es hier nochmal zu sehen:

Wie reagiert Dänemark auf diese Umstellung?

In der 61. Minute kommt Nörgaard für Poulsen. Hjulmand stellt auf ein 3-5-2 um. Ein Spieler aus der ersten Linie wird herausgenommen und ins Mittelfeld gezogen. Dadurch sollen die Bewegungen von de Bruyne besser verteidigt werden. Mit Nörgaard gibt es auf der zweiten Linie einen freien Spieler, der die Bewegungen von de Bruyne aufnehmen kann, wenn dieser sich ins Mittelfeld fallen lässt. Allerdings geben sie dadurch auch die Präsenz in der ersten Linie auf und Belgien konnte mehr Stabilität im ersten Drittel gewinnen und über horizontale Pässe wieder stärker Verschiebebewegungen provozieren. In einigen Situationen rückte Nörgaard dann auch aus einer tieferen Position auf die Halbverteidiger, aber die Bewegung war oft zu langsam und öffnete dann wieder Räume in seinem Rücken, die über die tieferen Wing-Backs bespielt werden können. 

Außerdem entzog sich de Bruyne oft der Zuordnungszone von Nörgaard in dem er sich weit zum linken Flügel bewegte und dort einige Bewegungen anstieß. T.Hazard konnte durch die breite Positionierung von de Bruyne freier in seinen Bewegungen sein und sich um de Bruyne bewegen und E.Hazard schob situativ auf die letzte Linie und band Wass tief oder lies sich tief fallen, um dann antreibend auf die Kette zu dribbeln und diagonale Pässe zum ballfernen Halbraum auf Lukaku zu spielen oder de Bruyne im Zwischenlinienraum einzusetzen. 

Ingesamt klappte die Umstellung also nicht besonders. Hjulmand spielte zu früh auf Unentschieden und verliert dadurch die letzte Form von Zugriff. 

Fazit

De Bruyne Weltklasse. Martinez mit guter Umstellung. Dänemark mit einer überragenden ersten Hälfte. Sehr starkem Pressing, sauberem Spiel mit Ball. Es währe ihnen zu gönnen, und verdient wäre es auch, wenn sie noch über den dritten Spieltag hinaus am Turnier teilnehmen.

Ergänzung:

Bei dieser Analyse werden ähnliche Veränderungen wahrgenommen, aber worauf die Veränderungen zurückzuführen sind, ist in beiden Analysen sehr unterschiedlich. Es könnte interessant sein, zu prüfen, wieso es zu dieser Verschiebung kommt.

Über CF

Taktik. Ballbesitz. Veloso. Twitter: CF
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