Vorschau U21-EM: Spanien und England

In diesem Artikel wollen wir die Favoriten der U21-Europameisterschaft vorstellen. Bei den Wettanbietern ist Frankreich mit einer 20% Chance auf den Titel der Favorit, danach folgen Spanien, England und Deutschland mit 18%. Der Niederlande wird mit 11% schon eine deutlich geringere Chance zugerechnet. Deutschland und die Niederlande wurden in der ersten Vorschau bereits behandelt, deswegen werden wir uns in diesem Artikel mit England und Spanien beschäftigen.

Spanien

Voraussichtliche Aufstellung

Die Spanier werden im 4-1-4-1 auflaufen, allerdings lässt sich die Startaufstellung nur schwer voraussehen, da sie 2020 nur wenige Spiele hatten.

Diese Aufstellung ist aber mit am wahrscheinlichsten: 

Mögliche Aufstellung von Spanien. Mit Diaz ist Javier Puado Diaz gemeint. Porro ist für die erste Mannschaft nominiert, fällt also raus.

Brahim Diaz wird in dieser Grundstruktur viele Impulse geben und einige gruppentaktische Abläufe sind an seine Bewegungen gebunden oder werden von ihm ausgelöst. Er ist ein technisch-versierter Spieler, der viel einrückt und diagonal zum Tor dribbelt oder Kombinationen startet. Villar oder Beltran weichen in solchen Situationen häufig zum Flügel aus. Auf der linken Seite könnte es sein, dass Cucurella häufiger breiter bleibt, so wie es Gil in den Spielen gegen Israel und die Faröer-Inseln gemacht hat. Dafür würde dann Pedrosa (oder Miranda) im letzten Drittel stärker in den Halbraum rücken auf der letzten Linie des Gegners die Schnittstelle zwischen Außen- und Innenverteidiger besetzen. 

Aufbauspiel im ersten Drittel

Die spanische U21-Nationalmannschaft spielt unter Luis de la Fuente einen ballbesitzfokussierten (wirklich!) Fußball, es gelingt ihnen sehr stabil ins letzte Drittel zu kommen, haben dort aber häufig Probleme aus guten Staffelungen hinter die Kette zu spielen. Im ersten Drittel bauen sie sehr ruhig auf, die Außenverteidiger stehen tief, und schieben eher situativ höher, dass liegt vor allem daran, dass die Achter hoch stehen und bei einrückenden Flügelspielern die Breite übernehmen und zum Flügel rochieren, dadurch können die Außenverteidiger sich im ersten Drittel anbieten und von dort das Spiel ankurbeln, allerdings rücken sie sehr selten in die Halbräume ein, was sich mit den höheren Achtern eigentlich gut ergänzen würde. Durch die tiefere Positionierung der Außenverteidiger ist es schwierig Spanien effektiv zu pressen. Die Wege zu den Außenverteidiger sind sehr kurz und aus den Pressingsituationen am Flügel, können sie sich heraus kombinieren, da der Sechser geschickt in die Schnittstellen nachschiebt und das Spiel verlagert oder den Ball auf die Innenverteidiger, die dann nachrücken, klatschen lässt. Die Innenverteidiger sind technisch gut und dribbeln in solchen Situationen intelligent an und rücken bis in die Halbräume vor. Die Achter lassen sich deswegen selten in die tieferen Halbräume fallen, wobei das auch je nach Besetzung variiert, und positionieren sich hinter der Mittelfeldkette des Gegners. Dort haben sie dann eine dichte Besetzung und durch das geschickte Freispielen der Innenverteidiger und die Qualität von Zubimendi können sie schnell in den Zwischenlinienraum spielen.

Aufbauspiel über die tiefen Außenverteidiger

Gruppentaktische Abläufe zwischen Flügelspieler/Achter

Im zweiten und letzten Drittel zeigen sie geschickte gruppentaktische Abläufe, die in ihrer Grundform sehr simpel sind, aber eine stabile Ballzirkulation garantieren. Die Flügelspieler rücken sehr früh ein und besetzen die horizontalen Schnittstellen in den Halbräumen. Auf solche Bewegungen können die Achter mit rausrückenden Bewegungen zum Flügel reagieren, so können sie kurze Vorteile kreieren, spielen allerdings auch teilweise in eine geschlossene Position am Flügel, wenn der Achter bei der Rausrückbewegung mit dem Rücken zur Spielfeldmitte steht und sich nicht schnell ins Zentrum kombiniert. 

Dadurch können die Außenverteidiger in einer tieferen Rolle auftreten. Allerdings gab es in den Spielen gegen Israel und die Faröer-Inseln auch eine leichte asymmetrische Aufteilung. Gil (linker Flügelspieler, mittlerweile für die erste Mannschaft nominiert) stand sehr breit und rotierte nur selten in die Halbräume, deswegen besetzte Pedrosa (linker Außenverteidiger) häufig die Schnittstelle zwischen den Innen-und Außenverteidiger.

Gruppentaktische Abläufe zwischen Sechser/Achter

Auch zwischen den Sechser und dem Achter gab es interessante gruppentaktische Abläufe zu sehen, die in ihrer Ausführung sehr simpel sind, aber eine solide Ballzirkulation garantieren. Zubimendi schiebt sehr geschickt zum Flügel nach, wenn sie in höheren Zonen den Ball haben. Die Achter binden durch ihre höhere Position häufig die gegnerischen Sechser und ziehen so situativ die Passwege zu Zubimendi frei, der dann aus einer seitlichen Position den Ball in die Schnittstellen verteilen kann.

Freiziehen der tiefen Halbräume + Verteilung in die Zwischenlinienräume

Teilweise kann der Sechser in tieferen Zonen höher schieben und rausrückende Pressingbewegungen blocken und so die fallenden Bewegungen der Achter ermöglichen. Dieses Muster gab es aber eher im Spiel gegen Israel zu sehen, da sich Oscar Rodriguez (der nicht dabei ist), häufiger fallen lies und Jon Moncayola diese Bewegung gut aufgriff und geschickt höher schob. 

Pressing und Gegenpressing

Im Pressing sind sie sehr solide. Meistens schiebt einer der Achter nach vorne und es entsteht eine 4-4-2 Staffelung. Da sie aber viel den Ball haben, pressen sie selten sehr hoch und viele Gegner bauen auch eher mit langen Bällen auf. Ihr Gegenpressing ist sehr sehr gut, sie haben eine unfassbare enge Staffelung im Zentrum, wenn sie die Bälle verlieren und haben nur wenige Ballverluste in tiefen Zonen, deswegen können sie sofort ins Gegenpressing gehen und tuen dies auch sehr ausdauernd. Dabei rücken die Innverteidiger und Zubimendi bei vertikalen Pässen des Gegners geschickt nach und fangen die Pässe ab, so generieren sie viele saubere Ballgewinnen, allerdings schalten sie selten direkt um, sondern sichern den Ball und stellen eine stabile Struktur her. 

Probleme im letzten Drittel

Im letzten Drittel haben sie allerdings einige Probleme, dass liegt vor allem daran, dass sie viele horizontale Bewegungen haben, sehr gut den Zwischenlinienraum besetzen, aber selten von dort in tieferen Zonen eindringen können. Der Grund dafür ist nicht ganz klar, man kann aber sagen, dass die Achter sehr selten hinter die Kette starten und auch die Flügelspieler eher horizontal einrücken, dadurch können sie zwar eine stabile Ballzirkulation garantieren, spielen dann aber häufig wieder zum Flügel und kreieren zwar gute Flankenpositionen, aber haben keine gute Staffelung im Strafraum und können selten gefährlich werden. Außerdem sind die Nachrückbewegungen der Außenverteidiger nicht immer ideal, teilweise haben sie Situationen, in denen sie nicht sauber über die Flügel bis zur Grundlinie durchspielen können, weil der Achter leicht eingerückt steht und der Außenverteidiger noch nicht richtig breit steht. Diese Staffelung ist zwar fürs Gegenpressing ideal, da der Gegner schnell zum Flügel spielt (freier Raum) und sie dann von innen nach außen mit horizontalem und vertikalen Druck den Ball pressen können, aber die Staffelung im Ballbesitz ist zu eindimensional und die Überladung garantiert im Endeffekt nur Stabilität und keine Durchschlagskraft.

Viele Spieler im Zwischenlinienraum, wenige Spieler auf der letzten Linie in den Schnittstellen, kaum Bewegungen in den roten Raum, die Ballsicherheit führt dann meistens zum Umschalten in den grünen Raum.

Prognose

Ballbesitz als Verteidigung, eine offensiven Mannschaft, die viel den Ball hat, aber trotzdem vor allem über ihre defensive Stabilität überzeugen können. Insgesamt verfügen sie über eine enorme individuelle Qualität und sehr intelligente Spieler, die auch ohne viel Training relativ konstant gute Staffelungen herstellen können. Im letzten fehlt aber häufig die Durchschlagskraft und in den wenigen Spielen in 2020 konnten sie in diesem Aspekt nicht wirklich überzeugen. Es wird spannend zu sehen, ob sie ihrer Favoritenrolle gerecht werden können. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass sie noch hinter Frankreich einzuordnen sind. 

England

Voraussichtliche Aufstellung

Die Grundstruktur von England ist sehr schwierig vorauszusehen, da sie in den Spielen im letzten Jahr häufig mit einer anderen Mannschaft gespielt haben und auch zwischen einem 3-4-3, 4-3-3 und 4-2-3-1 variiert haben. Da sie aber in den letzten zwei Testspielen im 3-4-3 gespielt haben und diese Grundformation zum Kader passen würde, wird in dieser Vorschau nur diese Grundformation vorgestellt. 

Diese Aufstellung kann man erwarten:

Mögliche Aufstellung im 3-4-3

Auch hier gibt es wieder viele Fragen, die man nicht richtig beantworten kann. Gerade die Besetzung der Sechserpositionen ist spannend, da könnte je nach Spielertyp eine eher defensivere oder offensivere Ausrichtung gewählt werden. Außerdem könnte Hudson-Odoi die Position des Wing-Backs besetzen, wie er es bei Tuchel in den letzten Monaten gespielt hat, dann würde eine zusätzliche Position in der Offensive frei werden. 

Grundstruktur im Aufbau

Im Aufbauspiel haben sie sehr gleichförmige und symmetrische Strukturen. Die Wing-Backs schieben sehr hoch, die Flügelspieler positionieren sich im höheren Halbraum und die Sechser bewegen sich um diese Passwege und probieren den Passweg in den Halbraum nicht zu besetzen, sie stehen also immer leicht versetzet, so dass rautenförmige Strukturen im Halbraum entstehen. 

Rautenförmige Strukturen um die Halbräume, der Stürmer wählt seine Positionen je nach Positionierung der Flügelspieler.

An diese Grundstruktur haben sie sehr simple Bewegungen gebunden, die aber eine trotzdem eine konstante Durchschlagkraft garantieren. Wenn Hudson-Odoi auf dem linken Flügel spielt, lässt er sich häufig hinter den Wing-Back fallen und dribbelt dann aus einer seitlichen Position diagonal auf den Flügelspieler oder Achter des Gegners. Teilweise lässt er sich auch neben die Sechser fallen, so dass zwischen einem 3-4-3 und 3-5-2 variiert wird. In solchen Situationen schiebt der Stürmer nach, bietet einen diagonalen Passweg an und der Sechser kann sich horizontal anbieten. Oft spielt er den Ball dann aber auf den ballfernen Halbverteidiger, da die Strukturen dazu tendieren sehr flach zu werden, wenn z.B der Stürmer nicht früh nachschiebt, ist der linke Halbraum nicht besetzt und der Flügel ist doppelt besetzt. 

Hudson-Odois Bewegungen in den Halbraum + nachschiebenden Bewegungen

Gegen Andorra spielte Curtis Jones auf dem rechten Flügel, deswegen gab es situativ eine 3-4-1-2 Staffelung, weil er ins Zentrum einrückte und ein 2-gegen-3 (2x Sechser gegen 2x Sechser + Jones) herstellte. Wenn der Ball verlagert wurde schob Brewster in den rechten Halbraum, so dass auf dem rechten Flügel wieder die rautenförmige Struktur hergestellt werden konnte. Jones kann dann auf die letzte Kette schieben oder sich höher im Zentrum anbieten. Solche asymmetrische Besetzung der Flügelpositionen können interessant sein, allerdings ist es wahrscheinlicher, dass ihre Strukturen symmetrischer sein werden und Jones, wenn er auf dem rechten Flügel spielt, nur selten einrücken soll.

Aus der symmetrischen Grundformation können sie gefährliche Situationen kreieren, da die Grundstruktur an sich sehr stabil ist. Im zweiten Drittel schieben die Innenverteidiger gut nach, wenn die Sechser zu einer Seite verschoben sind, so entstehen  2-5-3-Staffelungen und sie können sehr flexibel in die Halbräume schieben und in diesen Zonen Passwege herstellen. Die drei vorderen Stürmer bewegen sich in solchen Situation geschickt hinter die letzte Kette, so können sie durch zwei simple Bewegungen gefährliche Chancen kreieren. 

Im letzten Drittel besetzen sie manchmal auf die Räume um den gegnerischen Außenverteidiger doppelt, dann schiebt der Flügelspieler sehr hoch und steht leicht nach innen versetzt und der Außenverteidiger positioniert sich auf einer horizontalen Linie. Bei Bewegungen in die Tiefe vom Flügelspieler wird der Wing-Back freigezogen und England kann schnell verlagern und anschließend die Tiefe attackieren oder flach nach innen flanken. 

Die Tiefe attackieren sie geschickt. Im letzten Drittel bewegen sich die Sechser weit zum Flügel und überladen die Zone um den gegnerischen Außenverteidiger. Wenn sie weit nach vorne gerückt sind, spielen sie die Angriffe meistens direkt hinter die Kette durch, in dem die Flügelspieler oder Sechser die Tiefe attackieren. 

Pressing und Gegenpressing

Sie pressen aus dem 3-4-3, dabei rücken die Flügelspieler weit ein und pressen aus den Halbräumen. Aus dieser eingerückten Position können sie das Spiel zum Flügel lenken und dort Bälle gewinnen, wenn die Wing-Backs hoch schieben und die gegnerischen Außenverteidiger aggressiv anlaufen. Die Sechser verschließen dann die Passwege ins Zentrum und verfolgen die gegnerischen Sechser mannorientiert. In einigen Situationen konnten die Gegner sich über diese Mannorientierungen befreien, weil die Sechser dann z.B zum Flügel ausweichen oder höher stehen und so den Sechser von England aus dem Zentrum ziehen und Raum für diagonale Dribblings oder Pässe öffnen. Albanien konnten sich so öfter befreien. Wenn der Pass zum Flügel geht, können auch die Sechser leicht rausschieben und der Flügelspieler kann sich höher leicht versetzt positionieren und die Passwege nach hinten oder zu den Sechsern verschließen oder anlaufen. Diese Pressingvariante kann in der richtigen Ausführung besser funktionieren, da der Wing-Back tiefer stehen kann und ausweichende Bewegungen zum Flügel aufnehmen kann. Allerdings hat man so auch eine sehr geringe Zentrumbesetzung, die nur verbessert werden könnte, wenn der ballferne Wing-Back einrückt. Diese Bewegung gab es aber kaum zu sehen. Insgesamt ist das Pressing in seiner Ausführung nicht besonders gut, die Sechser sind zu mannorientiert und die Pressingbewegungen sind noch nicht ideal getimt, teilweise gab es aber schöne gestaffelte Anlaufbewegungen von den vorderen drei Spielern. Gegen schwächere Teams dürfte man so in höheren Zonen häufiger den Ball gewinnen, allerdings könnte es gegen Teams wie Spanien oder Frankreich schwer werden. 

Pressing im 3-3-4, zu mainorientierte Sechser, anfällig bei diagonalen Dribblings oder Pässen, sehr unpassend z.B gegen die ausweichenden Bewegungen von Spaniens Achtern.

Im Gegenpressing haben sie oft das Probleme, dass sie zu flache Staffelungen haben, wenn sie den Ball verlieren, da die Sechser sehr hochschieben und es dann Strukturen gibt in denen 4/5 Spieler auf einer horizontalen Linie positioniert sind. In solchen Situationen verteidigen die Innenverteidiger zwar sehr hoch und rücken bei vertikalen Pässen aggressiv raus, allerdings lassen sich diese Rausrückbewegungen relativ simpel bespielen und theoretisch sind sie im Moment des Ballverlusts sehr anfällig für Konterangriffe. 

Prognose

Von der individuellen Qualität gehört England mit Frankreich zu der besten Mannschaft des Turniers. Allerdings haben sie taktisch einige Probleme, die darüber entscheiden werden, wie sie bei der Europameisterschaft abschneiden werden. Im Vergleich zu Spanien können sie in der Offensive mehr Durchschlagskraft entwickeln, die auch schwer zu verteidigen ist, da sie eher unabhängig von taktischen Abläufen ist, sondern stark an die Stärken der einzelnen Spieler geknüpft ist. Dafür sind sie aber im Pressing und Gegenpressing nicht ansatzweise so stabil wie Spanien. Gegen schwächere Teams wird das noch kein großes Problem darstellen, da die Innenverteidiger viele Gleichzahlsituationen verteilen können. Im Viertel- und Halbfinale könnte es aber zu einigen Problemen führen. Vor allem Spanien dürfte ein sehr ungünstiger Gegner für England sein.

Über CF

Taktik. Ballbesitz. Veloso. Twitter: CF
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