Finks Austria mit knappem Sieg beim Aufsteiger

In der ersten Runde der österreichischen Fußball-Bundesliga kam es am Sonntag zum Aufeinandertreffen zwischen dem Aufsteiger SKN St. Pölten und Austria Wien, dem Dritten der abgelaufenen Saison.

St. Pölten gewann die zweite Liga mit neuem Punkterekord und einige Fans und Journalisten trauen dem Verein auch in der Bundesliga recht viel zu. Ob der von Karl Daxbacher trainierte Aufsteiger weiterhin überraschen kann, wird sich erst zeigen.

Thorsten Finks Austria hatte neben einem Auftritt im Cup bereits zwei Spiele in der Europa-League-Qualifikation zu absolvieren, diese wurden souverän gewonnen und zeigten bereits interessante Verbesserungen gegenüber der Vorsaison.

Karl Daxbacher nannte diese Spiele der Austria im Kurier-Interview als eigenen Vorteil, da man den Gegner genau analysieren konnte. Zudem kündigte er an, weiterhin „offensiv und initiativ“ aufzutreten, auch weil man mit Spieler wie Daniel Segovia und Lukas Thürauer schwer kontern könne.

skn vs austria

Offensiv und initiativ trat aber vor allem die Wiener Austria auf. Sie dominierte über lange Zeit klar das Spielgeschehen und hatten in der ersten Halbzeit Ballbesitzwerte um die 70% (zu Spielende waren es 61%). St. Pölten konzentrierte sich auf das Verteidigen, dabei war der Schluss aus den Analysen von Austrias Europacupauftritten wohl möglichst viel mannzudecken.

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Der SKN verteidigte prinzipiell aus einer 4-4-2-Grundordnung heraus, doch, wie dies bei Mannorientierungen eben so ist, ergaben sich daraus einige Umformungen. Das Team von Daxbacher versuchte hoch zu stehen und den gegnerischen Spielaufbau früh zu stören, stellte die gegnerischen Abstöße zu, presste aber ansonsten mit mangelnder Kompaktheit, vor allem vertikal, und lies sich relativ leicht nach hinten drängen. Je nach Position der gegnerischen Außenverteidiger wurde in einem verschobenen 5-3-2 oder einem 6-2-2 verteidigt. Die Flügelspieler Stec und Hartl blieben durchgehend sehr breit und fielen oft neben ihre Außenverteidiger Dober und Grasegger zurück, Mader und Brandl wurden im Zentrum alleine gelassen. Auch die restlichen St. Pöltner orientierten sich sehr stark an den Gegenspielern, teils rückten die Verteidiger sehr weit aus der Kette heraus, um das Zurückfallen und Anbieten eines Angreifers zu verfolgen.

Interessant ist die Entscheidung, auf dieses defensive Mittel zurückzugreifen, auch wegen des hohen Tempos der Wiener Offensive. Kayode, Pires und Venuto zählen zu den schnellsten Spielern der Liga, gegen mannorientierte Defensivspieler, die immer nur auf die Aktionen der Angreifer reagieren, müssten sie diesen Geschwindigkeitsvorteil eigentlich besser ausnutzen können. Dies war aber zunächst nur selten der Fall.

Das Spiel begann anfangs etwas zerfahren, aber mit der Zeit bekam die Austria immer mehr Kontrolle. Entscheidend dafür war auch Raphael Holzhauser. Der Sechser kippte meist links neben die Innenverteidiger Filipovic und Rotpuller ab und versucht von dort das Spiel anzutreiben. Platz gemacht wurde ihm dort von Martschinko, der stets sehr hoch agierte und Stec nach hinten drückte. De Paula auf der anderen Seite dagegen agierte oft etwas tiefer, die Dreierkette im Aufbau dann etwas verschoben und Holzhauser spielte fast einen Linksverteidiger. Durch das Abkippen von Holzhauser musste sich Peter Brandl jedenfalls entscheiden, ob er mitgeht und das Zentrum weiter entblößt oder ob er in seiner Position bleibt. Er entschied sich zumeist für letztere Variante, wodurch die Austria mit drei Spielern und dem recht spielstarken Robert Almer gegen die zwei St. Pöltner Stürmer in Ruhe aufbauen konnte.

Austria Wien hatte so eine sichere Ballzirkulation in ersten Linie, tat sich aber schwer dabei in höhere Zonen vorzudringen. Ein bekanntes Problem aus der vorigen Saison, welches in den Europacupspielen dank veränderter Abläufe weniger schwerwiegend war.

 

Diese 3-3-3-1 oder 3-1-3-3-Staffelungen gab es in der St. Pöltner NV Arena kaum zu sehen. Martschinko spielte einen typischen Außenverteidiger, De Paula rückte öfters in den Halbraum ein, tat dies aber nicht so konsequent wie Stryger Larsen in den vergangenen Spielen. Die Dreierkette im Aufbau blieb gleich, Tarkan Serbest agierte davor, wurde aber kaum eingebunden und war quasi nur Platzhalter, um das Zentrum nicht ganz zu entblößen. Davor agierten mehrere Spieler in einer Linie, am ehesten ist dies wohl als 3-1-5-1 zu bezeichnen.

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Holzhauser, Filipovic und Rotpullter verfügen alle über ein recht gutes Passspiel und brachten auch gute Pässe nach vorne, nach diesem ersten Pass waren aber nur selten vernünftige Folgeaktionen möglich. Die St. Pöltner Verteidiger rückten mitunter weit aus der Kette heraus, um die violetten Offensivspieler sofort bei der Ballannahme zu stören. Aufgrund der flachen Struktur mit vielen Spielern in einer Linie waren Ablagen als Mittel etwa kaum möglich, es folgte oft der simple Pass wieder zurück. Holzhauser streute dann auch öfters lange Bälle ein, welche im Endeffekt auch kaum gefährliche Aktionen einleiten konnte. Interessant wurde es, wenn die Aufbauspieler im Zentrum Roi Kehat fanden, der dort oft viel Platz hatte und auf den kein Verteidiger hervorrückte, um nicht direkt Mann-gegen-Mann zu spielen in der Abwehr.

Auf der rechten Seite gab es auch hin und wieder schön gegenläufige Bewegungen, mit denen man sich gegen die Mannorientierungen ein wenig Platz verschaffen konnte. De Paula vorderlief etwa mehrmals De Paula, der sich weiter zurückfallen ließ und sich so mit etwas mehr Platz Bälle abholen konnte. De Paula und Venuto konnten die Defensivspieler auch mehrmals weiter herausziehen und nebem dem Innenverteidiger freien Raum schaffen, in den der pfeilschnelle Kayode hineinstartete.

St. Pölten tat sich schwer offensiv gefährlich zu werden, was angesichts der 6-2-2-haften Defensivstafflung auch nicht sonderlich verwundert. Stec und Hartl mussten sehr tief verteidigen, mit sechs Spielern in der letzten Linie kontert es sich einfach schwer. Zudem agierten davor mit Florian Mader, Lukas Thürauer und Daniel Segovia drei sehr langsame Spieler. Die Konterbemühungen waren daher sehr zaghaft und meistens schnell wieder beendet.

Ansonsten spielte das Team von Karl Daxbacher wie üblich sehr breit und versuchte über die Flügel mit Flanken zum Erfolg zu kommen, nicht unbedingt das effektivste Mittel. Die vier Flügelspieler blieben sehr breit, Thürauer recht hoch und war kaum eingebunden. St. Pölten agierte daher viel mit hohen Bällen, entweder in die Spitze auf Segovia oder um die Flügelspieler einzusetzen. Die Austria hatte keine Probleme dabei dies zu verteidigen, interessant war dabei, dass die Viererkette oft sehr breit stand und dafür Serbest in die Innenverteidigung fiel, um dort Löcher aufzufüllen und da eher im Mittelfeldzentrum ohnehin nicht benötigt wurde. Zudem präsentierten sich die St. Pöltner im Spielaufbau auch nicht gerade als sicher (Daniel Petrovic hätte hier wohl geholfen).

Austria Wien hatte so lange Zeit das Spiel im Griff, ging nach einer Ecke kurz vor der Halbzeit in Führung und hatte noch paar weitere Torchancen. In der zweiten Halbzeit gaben die Veilchen aber zunehmend das Spiel aus der Hand.

Nach der Führung spielten Martschinko und De Paula etwas verhaltenen und schoben weniger nach vor. Dadurch nahm man sich aber selber Platz im Spielaufbau und die St. Pöltner pressten nicht unbedingt gut, aber doch um einiges verbessert. Die Partie wurde zudem durch einige Fouls und die vielen langen Bälle zerfahrener, Austria konnte das Spiel weniger kontrollieren. Viele Bälle wurden auch zu schnell verloren, da man unpassende Konter spielen wollte und in falschen Situationen antreibend agierte.

St. Pölten wurden auch aufgrund der Einwechslungen stärker. Im Sturm musste Segovia mit Leistenproblemen raus, für ihn kam der Niederländer Luckassen, der vorne weitere Weg ging und ordentliches Tempo mit sich brachte. Am Flügel zeigte der eingewechselte Schütz eine gute Partie. Die letzten 20 Minuten spielte auch Michael Ambichl im Zentrum, der vielleicht stärkste St. Pöltner zeigte etwa solche Aktionen:

Man achte auf Ambichls (Nummer 8) Umblickverhalten und wie er sich generell bewegt. Er scannt das Spiel sehr gut, ist technisch stark und geschickt im Dribbling, zudem sehr kombinativ, kreativ und auch ohne Ball stark. 

Nach einer Ecke gelang dem SKN in Minute 80 der Ausgleich, nur wenige Sekunden später schoss Luckassen an die Latte. Die Austria zeigte Unsicherheiten in der Abwehr und verteidigte als ganze Mannschaft nicht besonders gut. Die Defensivarbeit der vier Offensivspieler war ausbaufähig und Holzhausers Aufwand ohne Ball hält sich auch in Grenzen (siehe Video oben).

In einer sehr turbulenten Schlussphase mit Chancen auf beiden Seiten konnte die Austria das Spiel schließlich doch noch für sich entscheiden. In der Nachspielzeit traf Tajouri begünstig durch einen schlimmen Tormannfehler von Riegler (der zuerst unnötig und viel zu spät aus dem Strafraum kam und dann Tajouris Schuss, der daneben gegangen wäre, ins eigene Tor lenkte).

Fazit:

Nachdem Spiel präsentierten sich beide Trainer recht zufrieden mit ihrer Mannschaft. „Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Kämpferisch war es sehr stark, aber es ist natürlich bitter, wenn man so verliert. In der ersten Halbzeit hätten wir vielleicht etwas ruhiger spielen können“, meinte etwa Karl Daxbacher. Offensiv und initiativ war dieser Auftritt jedoch nicht, mit Thürauer und Segovia, mit denen man nicht Kontern könne, spielte er dennoch. St. Pölten setzte auf starke Mannorientierungen und agierte dadurch sehr reaktiv, dadurch hatte man defensiv klare Schwachstellen, welche die Austria nur bedingt bespielen konnte, und konnte schlecht kontern. Offensiv zeigte der SKN nur wenig, mit den Einwechslungen wurde das Spiel aber etwas besser und letztlich verlor man als Aufsteiger gegen eine individuell überlegene Austria nur knapp. Die Wiener fielen gegenüber den Europacupauftritten ein wenig zurück in alte Muster und zeigten Probleme aus der vorigen Saison. Dennoch dominierte man die Partie lange, wurde in der zweiten Hälfte jedoch schwächer, hatte weniger Kontrolle und defensive Anfälligkeiten. Betrachtet man das ganze Spiel geht der schlussendlich knappe und glückliche Sieg aber in Ordnung, auch die Torschussstatistik spricht mit 11 zu 6 Abschlüssen aus dem Strafraum (und 7 zu 5 außerhalb) für die Austria.

Über Alex Belinger

War als Kind zu oft in Italien auf Urlaub und mag jetzt italienischen Fußball.
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