Youth League: Werkself übersteht Ausflug nach “La Masia“

Nicht nur die Mannschaft von Roger Schmidt trat zum 2. Spieltag der Champions League in Barcelona an, auch die U19 von Bayer Leverkusen bekam es einige Stunden zuvor mit ihren jugendlichen Pendants aus der weltberühmten Talentschmiede zu tun. Dabei fielen sowohl Spiel als auch Ergebnis etwas anders aus, als man es bei den Profis zu sehen bekommen sollte.

Es wäre sicherlich ein wenig zu viel der Interpretation, wenn man schriebe, dass in diesem Duell zwei unterschiedliche Spielauffassungen aufeinander trafen – doch zumindest zwei relativ unterschiedliche Ansätze waren zu beobachten. Während die Mannschaft vom ehemaligen Barca-Spieler Gabri sich, mit allem was dazu gehört, ganz in der Tradition des Positionsspiels präsentierte, lag der Fokus bei der Werkself eher auf einem direkten, vertikal angelegten Spiel, das sich vor allem über Umschaltmomente definierte.
Die vom aus dem Profifußball bekannten Peter Hyballa trainierte Mannschaft trat dabei in einem nominellen 4-2-3-1/4-4-1-1 an, das sie zumeist aus einem Mittelfeldpressing heraus spielten mit vereinzelten Ausflügen nach vorne und Versuchen, den geordneten Spielaufbau der Katalanen frühzeitiger zu unterbinden. Der Nachwuchs des amtierenden Champions League-Siegers agierte dabei wie üblich aus einer 4-3-3-Formation heraus, die bei eigenem Ballbesitz eher zu einem 2-1-4-3/2-4-4 wurde. Der Fokus lag hierbei üblicherweise darauf, Überladungen zu kreieren, aus denen heraus man entweder direkt durchbrechen oder eine effektive Verlagerung anbringen konnte.

Die Grundformationen beider Teams

Die Grundformationen beider Teams

Barca umspielt Bayers hohe Pressingansätze

Ganz getreu dem Motto „Kein Team ohne Busquets“ bot Barcelona eben einen jungen Mann mit diesem Namen als Sechser auf. Jedoch nicht Sergio, sondern Oriol. Er war standesgemäß auch sogleich in die taktisch wohl interessanteste Überlegung dieses Spiels eingebunden. Denn der nominelle Zehner von Leverkusen, Andrejs Cigarniks, nahm ihn sogleich in eine Manndeckung, die praktisch das ganze Spiel über aufrecht erhalten werden sollte. Das hatte je nach Spielphase wechselhafte Auswirkungen. Da Busquets ziemlich intelligent reagierte und sich im Aufbauspiel meistens in höheren Zonen aufhielt statt zwischen die beiden Innenverteidiger zurückzufallen, litt Bayers Präsenz in der ersten Pressinglinie ziemlich darunter. Angreifer Dzalko blieb alleine gegen die beiden Innenverteidiger. Zusätzlich agierten die Außenverteidiger Barcelonas tiefer, um auch beim Eingreifen der gegnerischen Flügelspieler weiterhin komfortabel aufbauen zu können.

Meistens war es der als linker Außenspieler beginnende, bereits in der Bundesliga gegen den BVB zum Einsatz gekommene Henrichs, der aggressiver nach vorne stieß, um die Manndeckung etwas auszugleichen. In gut abgestimmten Phasen entstanden so hohe 4-3-1-2- bzw. schräge 4-2-3-1-Staffelungen, bei deren Bespielen die Katalanen ein paar Schwierigkeiten bekamen: Dzalto lief beispielsweise den Torhüter an, während er den linken Innenverteidiger im Deckunsschatten behielt. Henrichs orientierte sich am rechten Innenverteidiger und verdeckte wiederum den Weg zum Rechten Außenverteidiger. Cigarniks positionierte sich dann weniger manndeckend etwas vor Busquets, der innerhalb der so entstehenden Raute nicht anspielbar war.

Solche Situationen konnten die Leverkusener beim frühen Attackieren jedoch nur selten herstellen. Oft brachte Barcelona den Ball einfach zum eigenen rechten Verteidiger Morer, der insbesondere in der ersten Halbzeit immer wieder als Ausgangspunkt für die Angriffe fungierte. Er wurde nur zögerlich oder mit Verspätung angelaufen. Dzalto orientierte sich am ballnahen Innenverteidiger. Cigarniks ließ sich von Busquets zurückdrängen oder leicht zur Zeite ziehen. So entstand ein zwar grundsätzlich innerhalb des Mittelfeldblocks kompaktes, nach links verschobenes 4-3-2-1, das aber aufgrund mangelnden Drucks und wegen zu großem Gegenspielerfokus einfache Verlagrungsoptionen und direkte Passwege offen ließ. Deratige Möglichkeiten wusste Morer dann häufig intelligent auszunutzen. Durch das oftmals passive Verhalten der Leverkusener Viererkette öffnete sich gleichzeitig ein gewisser Raum zwischen den Linien, der herausrückend nur schwer effektiv zu füllen war.

4-3-2-1

Bayer zeigt wechselhafte Kompaktheitsansätze und kontert schnell

Im etwas tieferen Pressing um die Mittellinie herum resultierten jedoch des Öfteren Vorteile aus der dann auch immer wieder loseren Mannorientierung des eigenen Zehners an Busquets. So zog sich Bayer im Mittelfeld recht eng zusammen und konnte mit bis zu 5 Spielern auf einer Linie im Mittelfeld die Schnittstellen zwischen sich ordentlich schließen. Auch hier war die Absicherung gegen Verlagerungen jedoch nicht optimal beziehungsweise die Verschiebebewegung etwas unharmonisch. Zusätzlich wurden Rückpassoptionen nicht immer gut genug abgedeckt, sodass die eigentlich vielversprechenden Ansätze allzu häufig an Kleinigkeiten scheiterten.
Gerade auf der eigenen linken Seite zeigte die Mannschaft von Hyballa selbst, was möglich gewesen wäre. Hier generierte sie immer wieder gute Lokalkompaktheiten, wenn Barcelona sich doch für den direkten Weg über die Seite entscheiden musste.

Barcelona gefangen im Kompaktheits-X. Der Achter ist zwar nicht exakt im Deckungsschatten und weiter anspielbar, doch genau das hilft in dieser Situation. Als er an den Ball kommt, können drei Leverkusener ihn direkt bedrängen bis der Ball schließlich beim zurückfalenden Dzalto landet und über Umwege dann auf der gegenüberliegenden Seite.

Barcelona gefangen im Kompaktheits-X. Der Achter ist zwar nicht exakt im Deckungsschatten und weiter anspielbar, doch genau das hilft in dieser Situation. Als er an den Ball kommt, können drei Leverkusener ihn direkt bedrängen bis der Ball schließlich beim zurückfalenden Dzalto landet und über Umwege dann auf der gegenüberliegenden Seite.

Es war vermutlich der Plan, genau über solche Kompaktheiten auf dem Flügel Ballgewinne zu erzielen und dann über die eigenen Dynamikvorteile wuchtig wie direkt nach vorne zu kommen und kurz vor dem Sechzehner den Ball mittig vor die Abwehr zu bringen oder in den fernen Halbraum zu gelangen. Diese Konter klappten mitunter recht gut und waren gerade wegen des leicht chaotischen Rhythmus unangenehm. Der Fokus auf ordentliche bis gute Individualaktionen von Henrichs, Pärhenbildungen, Ablagen, schnelles Nachstoßen und eine hohe Ballgeschwindigkeit erschwerten Barcelona den Zugriff – sofern Bayer überhaupt deren Gegenpressing überspielen konnte. Dieses war oftmals sehr gut organisiert, weil in der Regel sowieso genug Spieler ballnah zur Verfügung standen und andere sich bereits vorausschauend zum Ort des Ballverlusts bewegten.

Manchmal schaffte es der Bayer-Nachwuchs auch, Barca gezielt in den Halbraum zu leiten und sich dort dann zusammenzuziehen. Dabei half dann auch Mittelstürmer Dzalto mit der ein oder anderen guten Rückwärtspressingaktion. Größtenteils definierte die Heimmanschaft aber einfach selbst, welchen Raum sie für bespielbar erachtete. Bayer versuchte zwar dennoch, sich dann ballnah zusamenzuziehen, war aber nicht schnell genug und eilte phasenweise nur von Ort zu Ort, ohne tatsächlich eingreifen zu können.
Hier taten sich bei Barca insbesondere die beiden Achter Carbonell und Alena mit raumsuchenden Positonierungen und Pressingresistenz hervor, immer wieder auch unterstützt von den jeweiligen Flügelspielern, vom beweglichen Mittelstürmer Marc Rio oder dem einrückend agierenden, leicht chaotischen Wuschelkopf-Linksverteidiger Cucurella.

Barca findet die Lücken und kombiniert

Im Laufe der ersten Halbzeit tauschte die Werkself dann offensiv immer mal wieder die Positionen bis Henrichs eine Zeit lang konstant als zweiter Stürmer neben Dzalto agierte und so ein klares 4-4-2 entstehen ließ, bei dem sich Lücken innerhalb der Formation offenbarten. Nun ohne Manndecker ausgestattet konnte Busquets sich vermehrt zentral in Aktion bringen und den großen Abstand zwischen den nicht optimal abgestimmten Sechsern für entscheidende Pässe nutzen. Gleichwohl wurde der Zugriff auf Barcelonas Aufbauspiel durch die Anpassung manchmal besser, gerade wenn Bayer phasenweise in einem 4-2-2-2-haften Block agierte. Insbesondere Henrichs tat sich jedoch schwer damit, Passwege rechtzeitig zu erkennen und zuzustellen. In einzelnen Szenen zeigten sich die zwei Angreifer dann beim Pressing gänzlich unangebunden an den Rest der Mannschaft. Im Mittelfeld übte man anschließend zentral zu wenig Druck auf den Ballführenden aus.

Ein wiederkehrendes Mittel der Katalanen war es dann von dort aus auf eine Seite zu spielen, worauf nur ein Teil der gegnerischen Mannschaft reagierte: Während der ballnahe Sechser weit nach Außen schob, blieb sein Gegenüber auf der anderen Seite. In der Folge war es ein Leichtes, Halbraum oder Mitte für Kombinationen zu nutzen, die auch auf zum Strafraum hin enger werdendem Raum hervorragend funktionierten.
Während der nominelle Innenverteidiger Daniel Nesseler auf der Position des rechten Außenverteidigers ein ums andere Mal Probleme mit dribbelnden Gegenspielern bekam, konnten Tristan Duschke und Joel Abu Hanna (mit 94 höchster Goalimpact im Team, Peak: 138) auf seiner angestammten Position mit teils herausragendem Defensivspiel glänzen.
Der erst 16-jährige Keeper Kucz machte zusätzlich mit einigen Paraden auf sich aufmerksam.

Verwaister Sechserraum. Rückzugs- und Verschiebebewegung nicht konsequent genug. Mannorientierungen.

Verwaister Sechserraum. Rückzugs- und Verschiebebewegung nicht konsequent genug. Mannorientierungen.

In den seltenen Phasen des eigenen Ballbesitzes zeigte Leverkusen eine ziemlich breite Spielanlage und versuchte vermehrt schnelle Durchbrüche über die Flügel zu erzielen. Die beiden Sechser unterstützten dabei entweder die Innenverteidiger in tieferen Zonen oder einer von ihnen ging nach vorne, um gemeinsam mit dem jeweiligen Zehner eine Art Achterrolle einzunehmen. Hier wendete sich die im Umschaltspiel noch für den Gegner durchaus gefährliche Vertikalität gegen sie und schlug oft in Unruhe über. Das Gegenpressing funktionierte zwar, ließ sich aber bei hohen Bällen nicht derart fokussiert und erfolgsstabil einbringen. Gefahr strahlten entweder Henrichs oder Dzalto aus, wenn dieser sich einmal unterstützend einbrachte.

Der weitere Spielverlauf

In der zweiten Halbzeit wurde Busquets wieder in Manndeckung genommen. Die Mittelfeldreihe zeigte insgesamt vermehrt herausrückende Aktionen und versuchte so, ballnah mehr Zugriff zu generieren. Die Formation glich durch die insgesamt aggressivere Rolle von Pütz immer mehr einem 4-1-4-1/4-1-2-2-1, was insbesondere in den Anfangsminuten besser funktionierte und dem Barca-Nachwuchs ein paar Schwierigkeiten bereitete, gerade nach der Auswechslung von Rechtsverteidiger Morer.
Dennoch fanden sie weiterhin auf ähnlichen Wegen wie zuvor Lücken im gegnerischen Mannschaftsverbund. Die Einwechslung des quirligen Franzosen Théo Chendri verstärkte diese Tendenz noch weiter. Er bewegte sich vom linken Flügel aus bis auf die gegenüberliegende Seite, wo er die von
ihm selbst initiierten Angriffe weiterhin kombinativ unterstützte.

Als Barcelona schließlich nach vergebenem Elfmeter doch noch das 1:0 erzielte, schien alles klar. Leverkusen überlud nun allerdings konsequent den gegnerischen Strafraum und zwang die Hausherren zu einer ungewohnt wilden Art der Verteidigung, die schließlich im Anschluss an eine vergebene Konterchance bestraft wurde. Eine verlagerungsähnliche Flanke aus dem äußeren linken Bereich des Strafraums fand am langen Pfosten einen Abnehmer. Barcelonas Kapitän Juanma konnte den Ball daraufhin nicht mehr klären, sondern nur noch ins eigene Tor befördern. 1:1.

Zusammenfassung

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Über Eduard Schmidt

Für mehr (post-) modernen Fußball! Für mehr durchdachten taktischen Mut! Wir haben das noch nie so gemacht - lasst es uns versuchen. Twitter: @EduardVSchmidt
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Ein Kommentar

  1. Mehr davon bitte!

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