Vereine mit Bullen im Logo müssen eine zeitgenössische Erfindung sein. Diesen Eindruck kann man zumindest leicht bekommen, wenn man etwa nach Leipzig und Salzburg schaut. Oder eben nach Krasnodar. Der im Jahre 2008 vom milliardenschweren Lebensmittel-Magnaten Sergei Galizki (passenderweise Besitzer der Handelskette „Magnit“) gegründete Verein etablierte sich innerhalb weniger Jahren nicht nur in der russischen Premier Liga, sondern schaffte zusätzlich bereits zum wiederholten Male die Qualifikation für die Europa League. Dort geht es nun gegen Borussia Dortmund. Anlass genug für einen taktischen Ausflug in den Süden Russlands.
Ob der schnellen Erfolgserlebnisse könnte man denken, beim FK Krasnodar habe man schlichtweg direkt in teure Stars investiert und auch noch anderweitig mit Geld für das Erreichen der Ziele gesorgt. Vielleicht ließe sich ebenso das Gegenteil heranziehen: ein gutes Konzept, das eben aufgrund seiner Qualität ansatzlos funktionierte. Es wird eine Mischung aus beidem sein, die den Verein so schnell voranbrachte, sicherlich garniert mit dem nötigen Glück.
In den vergangenen beiden Transferperioden gab man jedenfalls keinen einzigen Rubel für Ablösesummen aus, verpflichtete gleichermaßen einheimische wie ausländische Spieler. Auch der Trainer, ein 49-Jähriger (Weiß-)Russe namens Oleg Kononov dürfte alles andere als teuer gewesen sein, als man ihn 2013 vom damals noch offiziell ukrainischen Verein FK Sevastopol, den er kurz zuvor in die Premier Liga des Landes geführt hatte, verpflichtete. In seiner ersten Saison erreichte er mit Krasnodar sogleich einen hervorragenden fünften Platz, ehe es in der vergangenen Spielzeit sogar noch höher hinaus, auf Platz 3, ging. Von Beginn an ließ er die Mannschaft in einem 4-3-3/4-1-4-1 auflaufen, das je nach Gegner unterschiedlich ausgerichtet sein kann. Sowohl in einer mittels Ballbesitz dominanten als auch eher auf Konter fokussierten Spielweise weiß das Team größtenteils zu überzeugen und kann zwischen den unterschiedlichen Stilen recht problemlos hin- und herwechseln. Beide kennzeichnen sich im Kern durch Rhythmuswechsel, die in Schnellangriffen münden. Diese können eben entweder aus der eigenen Ballzirkulation heraus generiert werden oder einen Ballgewinn als ihren unmittelbaren Auslöser haben.
Da die meisten Mannschaften in der russischen Liga, wie auch der HJK Helsinki in der Qualifikationsrunde zur Europa League, gegen den FK Krasnodar eine eher vorsichtige bis passive Herangehensweise wählen, kommt überwiegend der erste Weg zum Tragen. Gegen Teams aus dem oberen Teil der Tabelle, wie etwa Lokomotive Moskau, mischen sich die Stile phasenabhängig, da ein Ballbesitzspiel hier aufgrund des besseren Pressings und anderweitiger Limitierungen kaum dauerhaft aufrechtzuerhalten ist. Gegen das seinerseits dominant auftretende Starensemble von Zenit St. Petersburg zog sich der FK Krasnodar dann beispielsweise nahezu gänzlich zurück, um anschließend über Konter für Gefahr zu sorgen.
Kurzprofile einzelner Spieler
Im Tor war der 38-jährige Ukrainer Andrey Dikan (Goalimpact: 107) bis zum Spiel gegen Dynamo Moskau gesetzt. Er besitzt seine Stärken vor allem im Bereich der Reflexe und weist ansonsten überall mehr oder weniger große Schwächen auf. Rückpässe kann er auch ohne Gegnerdruck nur ziemlich unsauber verarbeiten und schlägt sie zumeist mehr oder weniger unkontrolliert nach vorne. Darüber hinaus hält er nahezu keinen der aufs Tor kommenden Bälle wirklich fest und ist zurückhaltend in der Strafraumbeherrschung. Lange Pässe fängt er, wenn überhaupt, zögerlich ab. Nicht zuletzt im Spiel bei Lokomotive Moskau sorgte er mit einem slapstickhaft anmutenden Fehler für den zwischenzeitlichen Ausgleich der Hauptstädter, die das Spiel in der zweiten Halbzeit noch für sich entscheiden sollten.
Unter anderem dies wird den Trainer dazu veranlasst haben, Andrey Sinitsyn (Goalimpact: 111) eine Chance zu geben. Auch er offenbarte in seinen ersten Einsatzminuten einige spielerische Schwächen und parierte Schüsse nicht mit letzter Sauberkeit, machte insgesamt aber einen etwas sichereren Eindruck. Von einem Einsatz gegen Dortmund ist auszugehen: Nach dem Spiel gegen Dynamo erklärte Kononov auf die ihm eigentümliche, besonnene Art, er hätte Sinitsyn schon früher einmal einsetzen sollen, da dieser momentan stärker sei.
Davor spielen mit Kapitän Andreas Granqvist (Goalimpact: 111) und Ragnar Sigurdsson (Goalimpact: 140) zwei skandinavische Innenverteidiger, die gerne (mannorientiert) herausrücken und durch körperliche Stärke bestechen. Sigurdsson ist definitv der Beweglichere von beiden, der sowohl über ein besseres Timing verfügt als auch mit Ball am Fuß den ein oder anderen hervorragenden Vorstoß zeigen kann.
Als linker Außenverteidiger wird standardmäßig Sergey Petrov (Goalimpact: 111) eingesetzt, der eine lange Zeit seiner Karriere im defensiven Mittelfeld verbrachte und vor wenigen Jahren erst von Kononov diese neue Rolle erhielt, die er manchmal stark einrückend und diagonal interpretiert, was durchaus passend und interessant eingebunden wird. Sein Pendant auf der rechten Seite, Vitali Kaleshin (Goalimpact: 105) agiert im Vergleich dazu linearer. Während Petrov häufig einmal spielmachend oder antreibend vorgeht, fällt er durch simplere dynamisch nachstoßende Aktionen auf, die er aber von Zeit zu Zeit gut einzubinden weiß.
Eine robustere und defensiv solidere Variante zu ihm stellt der Pole Artur Jedrzejczyk (Goalimpact: 116) dar.
Einer der interessantesten Spieler, wenn nicht sogar das Herzstück der Mannschaft, dürfte der im Sommer neu von Rosenborg Trondheim gekommene Norweger Stefan Strandberg (Goalimpact: 127) sein. Er ist zugleich ein weiteres Beispiel für die anscheinend hervorragende Spielereinschätzung Kononovs beziehungsweise dessen Fähigkeit, Spieler innerhalb seines Systems passend einzubauen. Nachdem der 25-Jährige zuvor stets als Innenverteidiger spielte, hat er nun die Rolle als Solosechser inne. Hier besticht er durch sein hervorragendes Verhalten im Herausrücken, wodurch Konter oftmals bereits im Ansatz gestoppt oder zumindest verzögert werden. Überhaupt verfügt er über ein gutes Raum- bzw. Balancegefühl, das einige Unstimmigkeiten in der Ausrichtung des FK Krasnodar ein ums andere Mal ausgleicht. Interessant ist seine, trotz 1,95 Metern Körpergröße, des Öfteren augenscheinliche Schwäche im Kopfballspiel, während er mit Ball am Fuß größtenteils überzeugen kann, auch wenn er dabei mitunter etwas hölzern wirkt und technisch bei der Verarbeitung und Ausführung Unsauberkeiten offenbart. Die so aufkommende Hektik wird oft genug durch eine im Vergleich zu den Gegenspielern überlegene Spielauffassung wettgemacht.
Auch in seiner ursprünglichen Position des Innenverteidigers sind die erwähnten Stärken sichtbar, lediglich eine Ebene tiefer – mit durchaus positiver Auswirkung auf die Stabilität im Strafraum.
Bei „PirlosBart“ findet sich ein Video mit seinen gesammelten Aktionen gegen Lokomotive Moskau:
Vor dem Norweger agiert mit Yuri Gazinsky (Goalimpact: 111) ein Achter, der seine Stärken vor allem gegen den Ball hat und ein entscheidender Bestandteil des (Gegen-)Pressings ist. In der vergangenen Spielzeit brachte der russische Natonalspieler es so beispielsweise im Schnitt auf hervorragende 4 Interceptions pro Spiel. Deren Anzahl hat durch den hinzugekommenen Faktor Strandberg zwar abgenommen, Gazinskys Fähigkeiten sind dahingehend sowie überhaupt als unterstützender Akteur aber unbestritten.
Eine mit Ball stärkere Alternative stellt Odil Ahmedov (Goalimpact: 129) dar. Der Kapitän der usbekischen Nationalmannschaft bereichert mit seiner Ruhe die Ballzirkulation im Aufbau, kann aber gleichzeitig auf hervorragende Art und Weise antreibend agieren (zum Bespiel mit schönen gelupften Pässen) und ist allgemein stärker strategisch veranlagt.
Pavel Mamaev (Goalimpact: 130) hingegen positioniert sich meistens direkt recht hoch zwischen den gegnerischen Linien und ist auch als nomineller Flügelspieler einsetzbar. Er sucht vermehrt die Anbindung an die Sturmreihen und agiert im Zusammenspiel mit den dortigen Spielern zumeist kombinativ und gegnerbindend. So kann er ein ums andere Mal entscheidende Pässe anbringen oder dafür sorgen, dass andere dies tun können.
Für die Sechserposition steht zusätzlich Charles Kaboré (Goalimpact: 139) zur Verfügung, der zur neuen Sasion vom Lokalrivalen Kuban verpflichtet wurde. In seinem bisher einzigen Einsatz konnte er im Pressing ähnliche Stärken wie Gazinsky zeigen, wirkte jedoch im Aufbauspiel deutlich interessanter und zeigte strategisch zumindest hervorragende Ansätze.
Auch der Uruguayer Mauricio Pererya (Goalimpact: 120) hinterließ einen vielversprechenden ersten Eindruck auf der Achterposition, indem er sich kombinativ recht gut in die Strukturen Krasnodars einbinden konnte.
Ein oftmals dribbelnder Flügelstürmer oder ausweichender Mittelstürmer mit der Fähigkeit, große Räume schnell zu überbrücken, das ist Fedor Smolov (Goalimpact: 114). Der aktuelle russische Nationalspieler ist damit prädestiniert für ein Konterspiel, kann aber bei kontrolliertem Ballbesitzspiel mit diagonal einrückenden Läufen abseits des Balles und allgemein weiträumigem Ausweichen ebenso ein wichtiger Faktor zur Destabilisierung der gegnerischen Defensive sein. Ein auf den ersten Blick ähnlicher Spieler ist der mittlerweile 31-jährige Vladimir Bystrov (Goalimpact: 139), der jedoch zusätzlich zur beiden gemeinsamen Dynamik gerade in seinem Passspiel noch kreativer ist als der sechs Jahre jüngere Landsmann und so die manchmal zur Linearität und Ausrechenbarkeit neigende, aber dennoch immer wieder effektive Spielweise manch anderer Akteure wie Ricardo Laborde (Goalimpact: 119) etwas aufbrechen kann.
Komplettiert wird der Angriff oftmals vom Brasilianer Ari (Goalimpact: 128), der seine Mittelstürmerposition weiträumig ausweichend und unterstützend interpretiert. Er spielt dabei hervorragende Ablagen, die sich gut der Dynamk des Spiels anpassen und durchaus interessante Lösungen in festgefahrenen Situationen bieten, was ihn als Zielspieler, insbesondere für flache bis halbhohe Pässe prädestiniert. Darüber hinaus zeigt er immer mal wieder gute, für den Gegner überraschende Rückwärtspressingszenen.
Aufbauspiel als Vorbereitung für Überladungen
Die Angriffe des FK Krasnodar beginnen üblicherweise mit einer tiefen Ballzirkulation, für die Sechser Strandberg sich zurückfallen lässt, was insbesondere gegen passiv im 4-4-2 agierende Teams bereits für eine ordentliche Stabilität sorgt. Einer der beiden Achter, zumeist Gazinsky, bleibt etwas tiefer und hält direkten Kontakt zu Strandberg. Dieser weicht gerne auch mal in den tiefen linken Halbraum aus, was Gazinsky dann mit weiträumigen Bewegungen kompensiert beziehungsweise unterstützt. Der zweite Achter, hier Mamaev, bewegt sich hingegen in höhere Zonen und versucht sich zwischen den gegnerischen Linien anspielbar zu machen. Die beiden Außenverteidiger schieben währenddessen recht weit hoch, sodass sie etwa auf Höhe der Mittellinie agieren. Insgesamt entsteht so eine gerade vorne flexible Struktur, die zwischen 3-3-4, 3-4-3 und für kurze Momente schon fast 2-2-2-2-2 pendelt, wobei letzteres eher als eine Art des 2-4-4 zu beschreiben ist.

Schematische Darstellung des üblichen Aufbauspiels mit einigen vermehrt genutzten Bewegungsrichtungen der einzelnen Spieler.
Über Strandberg und Gazinsky wird der Ball nun zunächst in der Horizontalen zirkuliert, verbunden mit einigen lockenden Pässen, die das gegnerische Mittelfeld so herausziehen sollen, dass diagonale oder vertikale Zuspiele in den oft mit 4 Akteuren besetzten Zwischenlinienraum möglich werden. Immer wieder lassen sich hierbei auch die Außenstürmer aus einer Position im Halbraum heraus fallen, um entweder den verfügbaren Platz vor der Abwehr noch zu vergrößern oder in Erwartung von Überladungen nach etwaigen Zuspielen. Dabei erkennt man eher eine Orientierung an Zonen und Strukturen als an festen Positionen, wodurch die offensiv ausgerichteten Spieler im Laufe einer Partie an unterschiedlichen Orten anzutreffen sind. Ein wiederkehrendes Muster besteht in der Angriffsvorbereitung über den linken mittleren Halbraum mit anschließendem Übergang zu einer Überladung des rechten Flügels, wodurch, zusätzlich unterstützt durch die asymmetrische Grundstaffelung, ein leichter Rechtsfokus entsteht. Aus derartigen Situationen erwächst regelmäßig auch die Möglichkeit, Bälle in die Tiefe auf einen der schnellen Außenspieler zu bringen, nachdem die Aufmerksamkeit des Gegners auf einen anderen Bereich des Feldes gelenkt wurde.
Die Außenverteidiger bleiben meist eher passive Ausweichstationen, wenn Petrov nicht gerade dazu ansetzt die formative Lücke im linken Achterraum ohne Ball einrückend oder gar diagonal dribbelnd zu besetzen. Diese Ausrichtung ist aber insofern sinnvoll und passend, als dass sie so als alleinige Breitengeber den Gegner optimalerweise etwas auseinanderziehen, während die Mitspieler sich zunächst voll und ganz auf die Mitte sowie die angrenzenden inneren Halbräume fokussieren können. Im späteren Angriffsverlauf wechselt dieser Fokus dann verstärkt auf die äußeren Halb- und Flügelräume, auf denen sich die Mannschaft manchmal etwas festspielt, ohne ausreichend Anbindung zur Mitte beziehungsweise zur gegenüberliegenden Seite zu haben, da sich die meisten ballfernen Spieler, Außenverteidiger inklusive, direkt vertikal orientieren. Gerade wenn der Gegner sich auf das Zustellen horizontaler Passwege fokussiert, kann dies zum Problem werden. Immer wieder wird dann auch mal versucht, die ballfernen Spieler mit Flanken zu erreichen, was aber trotz guter Strafraumbesetzung aufgrund der etwas undynamischen Vorbereitung nicht wirklich erfolgsversprechend ist. Dieses Problem tritt jedoch keineswegs konstant auf: Ganz im Gegenteil gibt es auch immer wieder Szenen mit passenderer Breiten- und Tiefenstaffelung, durch die effektive Optionen für Spielverlagerungen und ordentliche Folgeaktionen, wie etwa scharfe, flachere Hereingaben, entstehen.
Allen voran wenn Akhmedov und/oder Bystrov zusätzlich auf dem Feld stehen, werden die Überladungen gut und fokussiert ausgespielt, ohne an Dynamik zu verlieren, ohne aber auch in purer Hektik zu enden, was phasenweise ebenso ein Problem darstellt. Viele fluide Positionswechsel prägen idealerweise das Bild sowie Läufe in die Tiefe, die Gegner mitziehen und so Raum für Cutbacks schaffen sollen. Exemplarisch hierfür steht eine Szene aus dem Spiel gegen den zugegebenerweise merkwürdig passiv und gleichzeitig mannorientiert verteidigenden HJK Helsinki:

Akhemdov schnappt sich den Ball im rechten Halbraum, etwa auf Höhe der Mittellinie. Kaleshin und Bystrov stehen zunächst breit. Letzterer bewegt sich nach dem Andribbeln Akhmedovs, in den Halbraum hinein, worauf Kaleshin direkt mit einem Vorstoß reagiert. Gleichzeitig orientiert sich Smolov bereits ebenfalls von der Mitte zur rechten Seiten hin. Mamaev reagiert mit einer gegenläufigen Bewegung,

Als Kaleshin den Ball nach ansehnlichem Fersenpass Bystrovs unter Bedrängnis wiederum auf der Außenbahn bekommt, steht Smolov schon bereit, sodass er den Ball mit einem Kontakt weiterleiten und sich direkt noch weiter nach vorne bewegen kann. Akhmedov stößt bereits nach, während die Mittelfeldspieler von Helsinki sich hektisch zurückziehen.

Smolov geht leicht nach Außen, zieht Gegenspieler mit sich, während Kaleshin ebenfalls zwei Leute vom HJK Helsinki an sich bindet. Der Passweg in den Rückraum zu Akhmedov steht nun frei. Smolov spielt den Pass aus der Drehung aber etwas ungenau. In eine Kontersitaution kommen die weit nach hinten gedrängten und auseinandergezogenen Finnen trotzdem nicht, weil sich Petrov und Gazinsky bereits vorsorglich in eine günstige Gegenpressingposition bewegt haben und direkt Druck auf den Ball ausüben können. Der folgende lange Ball wird locker abgefangen. Krasnodar baut erneut auf und gewinnt das Spiel letztlich mit 5:1.
Übrigens: Der FK Krasnodar führt seine Ecken ziemlich gerne kurz aus, was dann auch durchaus interessant aussieht, wenn sie die Standardsituation in eine schnelle Halbraumkombination versuchen übergehen zu lassen oder raumschaffend für mehrere an der Strafraumgrenze postierte Mitspieler agieren. Darüber hinaus droht über hohe Zuspiele auf die großen Innenverteidiger ebenfalls durchaus Gefahr. Ein Kopfball von Sigurdsson besorgte so etwa das zwischenzeitliche 1:0 gegen Zenit St. Petersburg.
Und sie bringen vermehrt gewinnbringende Hackenpässe ein. Etwa beim Treffer zum 4:1 gegen Helsinki als Mamaev eine Ablage des eingewechselten Ari ein weiteres Mal auf den startenden Wanderson ablegte und dieser nach wenigen Metern abschloss.
Zwischen lokaler Kompaktheit und mannschaftlicher Zerissenheit
Dadurch, dass sich meist viele Spieler von Krasnodar gemeinsam auf engem Raum befinden und anständig bis hervorragend miteinander verbunden sind, fällt ihnen ein gutes Gegenpressing nicht schwer. Die Offensivspieler verengen ballnah den Raum noch weiter, einzelne Akteure üben direkt Druck auf den Ballführenden aus. Je nach Ort kommen zusätzlich der ballnahe Außenverteidiger sowie der in solchen Situationen hervorragend agierende Gazinsky hinzu, welcher zumeist eine Art Verbindungsstück zwischen der ersten (potentiellen) Gegenpressinglinie und der zweiten, Stefan Strandberg, darstellt.
Der Norweger sorgt zusätzlich für einen Stabilitätszuwachs nach Ballverlusten, indem er gut zwischen dem Schließen von vertikalen beziehungsweise diagonalen Passwegen und einen aggressivem Herausrücken pendeln kann und beides auch situativ miteinander verbindet. Dabei ist sein Verhalten der Situation stets gut angepasst: Greifen Spieler vor ihm bereits ausreichend ein, konzentriert er sich auf die Absicherung, ohne dabei Lücken entstehen zu lassen. Schlägt ein solcher erster Versuch der anderen Spieler hingegen fehl, etwa bei unpassenden vorherigen Strukturen, so kann er direkt selbst zur Rückeroberung des Balles ansetzen. Oftmals kann Strandberg dann in einer Aktion gleichzeitig den Ball abfangen und die Zirkulation von Neuem in die Wege leiten. In schwierigeren Situationen verzögert er die Angriffe geschickt so lange, bis andere Spieler ins Geschehen eingreifen können.
Strandberg nimmt dem Gegner die Optionen, indem er sich, auch außerhalb des Umschaltmoments, auf die Verteidigung derselben in einem ansonsten vornehmlich mannorientierten Gebilde konzentriert. Situativ übernimmt er zwar auch direkt einen Gegenspieler, wählt die Momente dafür aber geschickt.

Smolov, Mamaev und Petrov leiten den Gegner nach Außen, während der Rest der Mannschaft sich eher mannorientiert verhält. Strandberg deckt als Sechser mehrere Optionen ab. Er kann recht einfach Zugriff auf einen Spieler in seinem Umkreis herstellen, Granqvist absichern, aber auch eine trotz schwieriger Ausgangslage glückende Verlagerung adäquat verteidigen.
Das Pressing in höheren Zonen, etwa bis zur Mittellinie, funktioniert beim FK Krasnodar insgesamt gut, mit zum Gegner passender Ausrichtung. Oftmals rückt einer der Achter, meist Gazinsky, mit nach vorne auf, was üblicherweise 4-4-2 oder 4-2-4-artige Staffelungen zur Folge hat. Daraus entsteht aber auch manchmal ein versetztes 4-3-3, wenn einer der Flügelstürmer tiefer bleibt oder sogar ein 4-3-2-1, wenn dies beide tun und der zweite Achter zusätzlich nach vorne geht. Bleiben die Außenstürmer enger, bildet sich gelegentlich auch mal eher ein 4-2-2-2 heraus.
Problematisch wird es für die Mannschaft Kononovs in der Regel erst, wenn der Gegner dieses höhere Pressing überspielen kann und sich in der Hälfte Krasnodars festsetzt. Hier werden gerade die Mannorientierungen im oftmals klaren 4-4-2 problematisch. Wild- und Unkompaktheiten treten in der Folge auf, zusätzlich genährt von nicht immer optimaler Rückzugsbewegung der vorderen Akteure. Insbesondere die Außenverteidiger bleiben ballfern durch lose bis enge Mannorientierungen breit, während die Innenverteidiger ebenfalls zum Manndecken neigen. Dies kann problematisch werden, wenn beide an einem Gegenspieler kleben, der eine etwa zum Kopfballduell herausrückt, ohne dass sein Partner die Manndeckung zwecks Absicherung schnell genug aufgibt. Oft lässt sich Strandberg dann in die Innenverteidigung zurückfallen, kann jedoch nicht alles ausbalancieren. Dadurch wird gleichzeitig die Präsenz im eigenen Sechserraum geschwächt, was bessere Gegner durchaus zu bespielen wissen. Rückpassoptionen, von denen eine Gefahr für Verlagerungen ausgeht, werden darüber hinaus nicht immer konsequent im Auge behalten. Wenn diese erst einmal ausgespielt werden, bekommt die Mannschaft in ihrer Unkompaktheit ein ums andere Mal Probleme.
Dennoch gibt es auch gute Ansätze, namentlich Lokalkompaktheiten, welche maßgeblich von den beiden Achtern und den ballnahen Außenspielern initiiert sowie von Strandberg unterstützt werden. Sie bilden gewissermaßen das defensive Gegenstück zu den offensiven Überladungen.

Lokomotive Moskau staffelt sich hier zwar überaus merkwürdig, halb aus einer Kontersituation heraus, aber Krasnodar reagiert unabhängig davon gut, indem sie lokal eine deutliche Überzahl herstellen. Erneut gut zu sehen, wie Strandberg mehrere Optionen abdeckt und auf unterschiedliche Situationen reagieren kann. Außerdem: Mannorientierungen und insgesamt nicht sonderlich hohe Kompaktheit. Letztlich versucht Lokomotive den Ball zwischen Gazinsky und Laborde hindurch zu spielen, was allerdings direkt an den beiden scheitert und zu einem Konter führt.
Bei der Verteidigung in und um den Strafraum wird es dann aber endgültig unübersichtlich und phasenweise chaotisch. Oft zieht sich die Mannschaft zu schnell zu weit zurück und öffnet so entweder Raum vor oder zwischen den Spielern, der insbesondere für Cutbacks genutzt werden kann. Gewissermaßen ist eine solche Art der Endverteidigung auch dafür prädestiniert, zu unglücklichen Gegentoren zu führen – zu vieles bleibt letztlich dem Zufall überlassen.
Eine interessante Frage wäre in diesem Zusammenhang eigentlich, inwiefern die Wechselwirkungen von eigener Offensive und Defensive sich über das Training zu gewissen Stärken oder zumindest Charakteristiken entwickeln und wie man dementsprechend die Steuerung desselben anpassen könnte. Beide zeichnen sich immer wieder durch eine hohe Kompaktheit im geballten Halbraum aus. Während die Defensive Probleme mit Bällen in den Rückraum hat, bespielt die Offensive so etwas bei gegnerischen Mannschaften hervorragend.

Drei Spieler sammeln sich um den Ballführenden, ohne jedoch wirklich Zugriff erzeugen zu können. Laborde steht breit und beteiligt sich zunächst noch. Mit dem einfachen Pass zum nebenstehenden Mitspieler lässt sich eine brenzlige Situation für Krasnodar erzeugen.
Gefährliches Konterspiel
Große Gefahr kann die Mannschaft aus Südrussland nahezu konstant aus Kontersituationen erzeugen, in denen die etwas von der Defensive abgeschnittene Positionierung der Sturmreihe durchaus von Vorteil ist. Diese spielen sie nicht immer rein zockend aus, sondern positionieren sich im besten Fall so, dass sie beim weiteren Zurückziehen der eigenen Mannschaft ebenfalls bei der Balleroberung mithelfen können, etwa durch Rückwärtspressing. Gerade wenn die zuvor beschriebenen Lokalkompaktheiten hergestellt werden, besitzen die einzelnen Spieler oftmals ein gutes Gefühl dafür, sich bereits etwas im Vorfeld eines möglichen Ballgewinns, anspielbar zu machen, indem sie sich eine passende Position im äußeren, manchmal auch inneren Halbraum suchen.
Hat der Konter ein Mal Fahrt aufgenommen, hält man den FK Krasnodar nur schwer auf. Dynamisch rücken weitere Spieler nach. Der Ball wird schnell in alle Richtungen abgelegt. Die Einzelspieler rufen ihre Schnelligkeit ab. Selbst wenn der Gegenangriff etwas verlangsamt wird, finden sich oftmals kreative Lösungen. So geschehen beim Treffer zum 2:0-Endstand gegen Zenit St. Petersburg: Bystrov wird in scheinbar festgefahrener Lage am Flügel angespielt, dreht sich etwas, wartet kurz auf seinen Mitspieler und legt ihm den Ball per Hacke in den Lauf. Dieser leitet ihn sofort horizontal zwischen die Linien weiter, von wo aus eine Ablage auf Laborde erfolgt, der begünstigt von einem Torwartfehler per Distanzschuss trifft.
Der letzte Kurzeindruck im Spiel gegen Dynamo Moskau
Gegen die mit Igor Denisov als Solosechser im 4-1-4-1 auflaufenden Hauptstädter ließ Kononov den Isländer Sigurdsson auf der Bank – vermutlich zur Schonung nach aufregenden Tagen in der Heimat. Dafür rückte Strandberg in die Innenverteidigung. Gazinsky lief als Sechser auf und interpretierte die Rolle naturgemäß etwas anders als sonst üblich. Er schob häufig vor, um 4-5-1 oder 4-4-1-1-Staffelungen herzustellen, worunter die vertikale Kompaktheit etwas litt. Herausrückende Bewegungen, vermehrt auch aus der Innenverteidigung, prägten in der Folge das Bild, waren aber insgesamt ordentlich eingebunden beziehungsweise wurden intelligent ausgeführt. Den Zwischenlinienraum konnte der ziemlich simpel strukturierte Gegner selten bespielen und wurde in der Folge regelmäßig von der Intensität Krasnodars verschluckt. Einzig zu Beginn der zweiten Halbzeit sorgten sie über Flügelangriffe und Standardsituationen für Gefahr und Torchanchen, begünstigt durch die brachiale Gewalt Pogrebnyaks und eine gewisse Unsicherheit der Südrussen bei hohen Hereingaben.
Oftmals kam es jedoch überhaupt nicht zu entsprechenden Situationen, da Krasnodar seine Lokalkompaktheiten dieses Mal eher um die Mittellinie herum ansiedelte und Dynamo zu langen Bällen zwang, die nicht von Erfolg gekrönt waren. Ein ums andere Mal fielen sie auch auf gewisse Pressingfallen herein, bei denen ein Spieler etwa zentral oder im inneren Halbraum nur scheinbar frei gelassen wurde.
Akhmedov und Strandberg kamen jeweils auf ordentliche 4 Interceptions. Der Norweger brachte es zusätzlich auf 6 Clearances, während ersterer stattdessen per traumhaften Distanzschuss einen Treffer beisteuerte. Mamaev spielte 3 Key Passes und schoss nebenbei noch zwei Tore. Auch Ricardo Laborde konnte aus einem Gegenzug heraus etwa von der Strafraumgrenze treffen, nachdem er mit einem etwas wirren Dribbling zwar in Richtung der Gegenspieler, aber gleichzeitig auch gegen deren Verschiebebewegung vorgestoßen war.
Krasnodar dominierte weitesgehend den Rhythmus der Partie und konnte sich dabei auf die üblichen Stärken im Ballbesitzspiel und bei (Gegen-)Kontern verlassen. Alles in ziemlich gut balancierter Ausführung mit vermehrtem Fokus auf die häufig zu beobachtenden horizontalen Lücken Dynamos. Der Endstand von 4:0 erscheint am Ende dennoch etwas zu hoch.
Fazit: Was kann Krasnodar gegen den BVB ausrichten?
Etwas polemisch ließe sich, trotz zuletzt und insgesamt guter Eindrücke, antworten: Eigentlich nichts – und damit läge man vermutlich nicht einmal wirklich falsch. Es genügt praktisch, noch mal Martin Rafelts BVB-Teamanalyse durchzuschauen, um dem zuzustimmen.
Mögliche Angriffspunkte bieten sich für die Dortmunder jedenfalls reichlich, gerade in der Endverteidigung, im Bespielen der Mannorientierungen und in der Anfälligkeit gegenüber Verlagerungen („Dass innerhalb der Angriffe oft noch einmal abgebrochen und verlagert werden kann, ist auch strategisch ein sehr wichtiges Element, zumindest wenn es so umgesetzt wird wie vom BVB. Durch das kollektive und tororientierte Nachrücken der hinteren Spieler können die Verlagerungen nämlich meist sehr aggressiv in Richtung Tor platziert werden, sodass der Gegner sich nicht noch einmal hinter den Ball zurückziehen kann.“) Hinzu kommt, ganz gleich wer spielt, ein Torwart von nicht gerade internationalem Format, was es für die Mannschaft aus Russland in der Summe schon nahezu unmöglich macht, ohne Gegentor zu bleiben. Passivität kann keine Lösung sein.
Aber auch das ist leicht gesagt, wenn die Spinne namens BVB den Gegner einfach wieder in ihr Netz einspannt. Dagegen ließen sich die Lokalkompaktheiten forcieren, um so möglicherweise die rechte Seite vom Rest des Teams etwas abzutrennen und über Ballgewinne in Kontersituationen zu gelangen, die auch für eine Spitzenmannschaft schwer einzufangen sind. Ansonsten kann es nur ein Mittel sein, den Ball selbst in den eigenen Reihen zu halten, möglicherweise mit konservativerer Ausrichtung beider Achter und noch mehr unterstützenden Bewegungen der weiteren Spieler, um eine mögliche Isolation, gerade der Außenverteidiger, zu verhindern.
Und dann überladen, was das Zeug hält, kombinieren, gegenpressen, überraschende (Un-)Dynamiken einbauen – vielleicht Rhythmusdominanz gegen Strukturdominanz aufbauen. Es schreibt sich so leicht. Wenn der BVB 4:1 gewinnt, bleibt es wohl dennoch wertlos. Wenn nicht, dann habe ich jedenfalls schon einmal vorgesorgt.
diego costa
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