Omar Abdulrahman war sicher einer der großen Attraktionen beim Asien Cup in Australien. Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten erreichte er überraschend das Halbfinale, wo sie gegen den späteren Sieger Australien ausschieden. Mit vielen spektakulären Tricks, schönen Pässen und einem Pirlo-esquen Elfmeter machte er sich vor allem auf YouTube einen Namen. Schnell brodelte die Gerüchteküche und spuckte alle möglichen Topvereine in Europa aus. Ein Portrait zu einem der besten Spieler, die wahrscheinlich nie in Europa spielen werden.
Dominanter Raumsucher
Omar Abdulrahman spielte bei den Vereinigten Arabischen Emiraten meistens als rechter Flügelstürmer, von dieser ursprünglichen Position rückt er sehr druckvoll ein probiert Verbindungen zum Zentrum zu schaffen. Er hat ein gutes Gefühl für Strukturen und besonders für die Folgeaktionen seiner Bewegungen. Wenn er einrückt, schiebt der Außenverteidiger höher, die Stürmer pendeln auf die Flügel und besetzen freie Schnittstellen oder starten diagonal hinter die Abwehrkette. All diese Bewegungen, die seine Mitspieler als Reaktion auf seine Bewegungen ausführen, erkennt er sehr gut oder hat sie teilweise intuitiv gespeichert. Dieser „Informationsvorteil“ findet sich dann in seinem Spiel wieder und äußert sich in vielen Pässen entgegen der Verschiebebewegung und entgegen seines Sichtfelds.
Hier kann man sehen, wie er sich in das Spiel einbindet und immer wieder die Folgebewegungen bespielt. Dadurch spielt er viele unerwartete Pässe entgegen seines Sichtfelds.
In seinen Bewegungen ist er ebenfalls sehr dominant – Er driftet generell sehr frei über den Platz, agiert sehr ballfordernd und ballorientiert. Seine Bewegungen sind intelligent, da er die richtigen Räume anvisiert und die richtigen Bewegungen anstößt. Gerade beim Asien Cup wurden diese zudem gut eingebunden und er hatte einige Spieler, die seine Bewegungen ausbalancierten.
Allerdings ist er in seinen Bewegungen nicht besonders vertikal, sondern bewegt sich viel horizontal und gerne lässt er sich auch stark zurückfallen um die Situation dann aus tieferen Räumen anzukurbeln. In seinem Bewegungsspiel ist er partiell zu dominant. So bewegt er sich zum Beispiel in bereits vorhandene Passwege, anstatt die Entscheidungsvielfalt zu erhöhen, indem er sich in einen anderen Raum bewegt und somit weitere Winkel erzeugt. Auffällig ist, dass er eine klare Vorstellung davon hat, wie ein Angriff gespielt werden muss. Diese scheint er dauerhaft zu priorisieren, anstatt weitere Optionen zu bedenken. Dies führt dazu, dass die Angriffe dann sehr vorhersehbar werden und oft nur auf wenige Entscheidungen limitiert bleben. Durch seine Dominanz im Pass- und Bewegungsspiel zerstört er hier oft eher Verbindungen, als dass er welche schafft. Allerdings sind seine Aktionen am Ball sehr gut und seine Dominanz hängt auch immer stark vom jeweiligen Gegner und der Einbindung des Trainers ab. Gegen nicht so starke Gegner zeigte er im Asien Cup auch ein paar sehr kombinative und strategisch gute Ansätze. Generell kann man also festhalten, dass er ein Spieler ist der in gewissen Spieldynamiken dazu neigt, sich zu stark auf eine bestimmte Angriffsvollendung zu fokussieren, diese jedoch intelligent wählt und meistens auch effektiv und druckvoll realisiert.

Abdulrahman läuft vom rechten Flügel ins Zentrum, fordert sofort den Ball. Er öffnet den rechten Flügel in den sich nun Mabkhout (7) bewegt, welcher dann direkt hinter die Kette startet. Die Staffelung ist nun zwar nicht besonders gut, die Raumnutzung ist sehr defensiv und eigentlich ist die Angriffsentwicklung nicht wirklich vielversprechend. Allerdings spielt Adulrahman nun einen Pass mit viel Schnitt hinter die Kette auf Mabkhout, welcher nur leicht im Abseits steht. Ein sehr simpler Spielzug, der in ähnlicher Form des Öfteren genutzt wird.
Einer seiner Stärken in manchen Spielen ist wiederum das Freilaufen und Einbinden in die richtigen Situationen. Dann arbeitet er gut mit den Passwegen und positioniert sich schon vor einem Pass so, dass er den folgenden Pass erhält und dann mit einem offenen Sichtfeld und Zeit zum Tor steht. In seinen Bewegungen sucht er vermehrt den Halbraum, dessen strategische Wichtigkeit er zumindest intuitiv erkannt zu haben scheint, als Ausgangspunkt für weitere Aktionen. Außerdem arbeitet er in seinen Dribblings viel mit Bindungspunkten, weshalb diese in nicht gerade engen, aber kompakten Räumen mit höheren Möglichkeiten zur Entscheidungsfindung auch besser sind als in Räumen mit geringerer Optionsdichte.
Omar Abdulrahman profitiert dabei von seiner Ausgangsposition auf dem rechten Flügel, von der aus er sich sehr frei bewegen kann und nicht wirklich an bestimmte Räume gebunden ist,, die er konstant besetzten muss, um gute Staffelungen herzustellen. Gelegentlich spielt er auch auf der Zehn, wobei er dort eine zu hohe strategische Verantwortung im Verbinden von Räumen in der Positionsfindung trägt und ihm dafür teilweise, wie erwähnt, etwas das Gefühl fehlt. Durch diese Spielweise erzeugt er leicht U-Staffelungen, welche dann dazu führen können, dass das Gegenpressing nicht mehr so gut ist oder zumindest das Spiel verflacht. Deshalb ist er auf dem Flügel besser aufgehoben, denn dort kann er mithilfe eines freieren Einrückens dann schon stärker vorhandene Staffelungen bespielen. Dies liegt ihm aus meiner Sicht besser, wobei es natürlich auch immer auf die konkrete Einbindung ankommt.
Teilweise spielten sie auch ein sehr interessantes 4-3-1-2 mit Abdulrahman als Zehner. Die beiden Stürmer driftete dann gerne zu den Flügeln oder boten viele diagonale Läufe hinter die Kette an, wenn Abdulrahman sich fallen ließ oder sich aus seinem zentralen Raum wegbewegte. Diese Aufstellung hatte einige interessante Mechanismen und die Stürmer bewegten sich gut im Verbund mit Omar Abdulrahman, generell war die Raumaufteilung sehr gut und die Räume wurden sehr dynamisch und gut übergeben, was zu vielen guten Staffelungen und ansehnlichen Durcbrüchen führte. In dieser Phase spielten die Vereinigten Arabischen Emirate ihren besten Fußball. Allerdings wurde das System im Verlauf des Turniers zugungsten einer stabileren Ausrichtung verworfen. Anschließend spielten die VAE in einem 4-4-2 mit einem stärker aufrückenden und strategisch gutem Sechser statt einem tatsächlichen Zehner. Die beiden Stürmer, welche beide eher nominelle Flugelspieler sind, orientierten sich viel zum Flügel, suchten die von Abdulrahman geöffneten Räume und agierten aus diesen dann sehr diagonal und tororientiert ähnlich wie im 4-3-1-2, allerdings nicht ganz so druckvoll und stärker flügelorientiert. In dieser Einbindung konnte Abdulrahman sich sehr frei bewegen und hatte viele raumfüllende Spieler um sich, die seine teilweise etwas überambitionierten Bewegungen ausglichen und daraus sogar Vorteile ziehen konnten. Dies kaschierte etwas seine Schwächen im Bewegungs- und Aufbauspiel und band zudem seine individuellen Stärken ein. Für Abdulrahman waren beide Ausrichtungen relativ passend, wobei es womöglich noch vielversprechender gewesen wäre, die Ausrichtung aus der Gruppenphase probeweise mit einem höherem Stabilitätsfokus zu versehen, anstatt direkt zu einer nominell stabileren Formation überzugehen.
Bewegt sich gut in den freien Raum und bindet sich mit einer schönen Ablage gut in das Spiel ein.
Dribbler mit Übersicht
Omar Abdulrahman ist nicht nur technisch stark und antrittsschnell, sondern zeichnet sich zusätzlich durch die nötige Übersicht und Intelligenz im Dribbling aus. Er ist sehr gut darin, während des Dribbling bestimmte Passwege anzuvisieren, aber dann doch in den dadurch geöffneten Raum zu brechen. Er bewegt sich gerne in Engen, aus denen er sich dann vor allem über zuvor erwähnte Bindungspunkte und seine gute Übersicht zu befreien weiß. Er hat ein gutes Gefühl dafür, wie sich seine Mitspieler bewegen und wie er sich selbst bewegen muss, um bestimmte Räume oder Passwege zu öffnen. Dies merkt man an seiner enorm zielstrebigen sowie tororientierten Spielweise, die er beim Dribbling an den Tag legt und so viele Durchbrüche erzeugt.
Er bekommt an der Mittellinie den Ball und wird sofort rückwärtsgepresst. Am Anfang scheint ihm der Ball zu verspringen, allerdings passt dies vom Timing sehr gut. Denn als der australische Spieler fast da ist, legt er den Ball an ihm vorbei und kreuzt seinen Laufweg. Durch das so erzwungene Abbremsen fällt diesem das Aufrechterhalten des Pressings schwer. Nun hat er das Spiel vor sich, visiert den Passweg zu Ali Mabkhout (Nr.7) an. Die komplette Kette inklusive Jedinek macht einen Schritt nach links und gibt den zentralen Raum frei. Abdulrahman startet nun mit Antritt zentral in diese entgegengesetzte Dynamik. Er dribbelt genau auf den Innenverteidiger zu, der aggressiv herausrückt, Abdulrahman biegt aber passend ab und der Innenverteidger verpasst ihn genau. Nun ist Schnittstelle zwischen Außen- und Innenverteidiger offen und Abdulrahman steckt den Ball mit einem Lupfer durch.
Gute Dribblingsszene in der er die unmittelbaren Bindungspunkte sucht, um den Gegner zu gewünschten Bewegungen zu zwingen. Er bleibt sehr ruhig, zielstrebig und sauber in seiner Entscheidungsfindung – und ey den Stockfehler macht er (fast schon Bizarro-like) ziemlich sicher mit Absicht.
Abdulrahmans weiträumiges Passspiel
Ein weiteres Markenzeichen von ihm sind seine überragenden Pässe. Wie oben beschrieben, lässt er sich oft vertikal fallen um so Bewegungen anzustoßen und Räume zu öffnen. Dadurch werden die Staffelungen zwar limitiert, allerdings dahingehend verändert, dass er sie mit langen und gut getimten Pässen bespielen kann.
Diese Pässe erinnern in gewisser Weise an Pirlo. Er verfügt über eine sehr gute und variable Passtechnik. Dabei liegt viel Schnitt auf seinen Bällen und er schneidet sie oft sehr passend und präzise zum Tor hin oder vom Tor weg.
Hier sieht man ein paar Szenen in denen er den Ball auf unterschiedliche Weisen anschneidet und seine typischen Passtechniken zeigt.
Abdulrahmans Pressing
Des Öfteren wird Abdulrahman für seine mangelnde Rückwärtsarbeit kritisiert. Teilweise geht er nicht den ganzen Weg mit zurück, ist wirklich etwas schlampig, aber trotzdem ein guter Pressingspieler. Er arbeitet gut mit dem Deckungsschatten und verfügt beim Rückwärtspressing über ein gutes Timing.
In der ersten Szene lenkt er Leckie bewusst nach vorne. Dann verfolgt er ihn und wartet, bis ihm der Ball leicht vom Fuss springt. Dann kann er seinen Körper zwischen Leckie und den Ball stellen und direkt in die andere Richtung gehen. Generell arbeitet er am Anfang nicht wirklich mit dem Körper, sondern begleitet den Gegenspieler relativ konstant, wartet auf technische Fehler, um dann den Ball sauber zu gewinnen und direkt weiterzuspielen.
Hier sieht man weitere Pressingszenen.

Er übt gleichzeitig Druck auf den Spieler vor ihm aus und kann ihn, wenn er den Ball bekommt, daran hindern sich zu drehen und das Spiel zu verlagern. Außerdem behält er aber den Spieler in seinem Rücken im Auge und versperrt den Passweg zu ihm.

Ein bisschen später macht er wieder etwas Ähnliches, indem er sich so positioniert, dass er sowohl den Spieler attackieren könnte, der als nächstes den Ball bekommen könnte, als auch den Passweg zu dem Spieler in seinem Rücken belauert. So übt er passiv Druck auf den ballführenden Spieler aus.
Generell ist er sowohl im Rückwärtspressing als auch in frontalen Pressingsituationen sehr sauber und agiert nie übertrieben aggressiv, sondern lauert intelligent auf Ballgewinne, die er direkt weiterverarbeiten kann.
Er belauert den Passweg, lässt ihn aber offen, um einen Pass zu provozieren. Dieser wäre aufgrund der Distanz länger unterwegs und so kann er in der Zeit in den Passweg laufen und den Ball direkt verarbeiten, mitnehmen und weiterspielen. Eine Szene, die sinnbildlich für seine Art zu pressen steht.
Abdulrahmans Schwächen
Eine seiner größten Schwächen dürfte die Positionsfindung sein. Er ist teilweise zu dominant,sucht direkte Verbindung zum Ball und probiert dann sehr stark seinen Rhythmus durchzudrücken. Da er individuell einer der besten Spieler in der Liga ist, binden ihn viele Trainer auch so ein und legen viel Wert auf seine Einbindung. Er braucht viele balancierende Spieler, die seine Bewegungen und den offenen Raum nutzen. In Europa könnte dies zu größeren Problemen führen, da er sich dann stärker dem Rhythmus der Mannschaft unterordnen müsste.

Mabkhout spielt einen Pass zurück an den Sechzehner zum Sechser. Dieser bewegt sich zum Ball, doch Abdulrahman läuft in den Passweg anstatt sich in den roten Raum zu bewegen. Wenn er im roten Raum geblieben wäre, hätte man den Angriff variabler zu Ende spielen können. Dadurch dass er sich in den Passweg bewegt, entstehen weniger Winkel und der Angriff wird leichter zu verteidigen.
Weitere Problem bilden seine Weiträumigkeit im Passspiel und seine strategischen Schwächen. Phasenweise will er das Spiel zu stark antreiben oder agiert zu wenig kombinativ. Dann lässt er lokale Staffelungen verwaisen und legt sich in seiner Entscheidungsfindung zu früh auf eine Aktion fest. In dieser fehlt ihm dann meistens die Klarheit und dadurch dass er sich zu früh festlegt, passt er sich auch nicht wirklich an die Reaktionen des Gegners an. Die Folge sind Pässe in tote Räume oder völlig unorthodoxe (Verzweiflungs-)Pässe, welche meistens abgefangen werden.
Ein kleines Video zu seinen Fehlern.
Fazit
Abdulrahman dürfte das wohl größte der Talent der VAE sein. Trotz eines Probetrainings bei Manchester City und zahlreicher großer Interessenten, ist es trotzdem leider unwahrscheinlich, dass Abdulrahman in absehbarer Zeit (oder jemals) nach Europa wechseln wird – erst kürzlich unterschrieb er einen hoch dotierten Vertrag bei seinem jetzigen Verein Al-Ain FC.
Alle Videos wurden selbst erstellt.
Abdulrahman gegen Australien
Abdulrahman gegen Iran
Abdulrahman gegen Katar
vor allem das fehlervideo hat mir sehr geholfen.
Finde es toll dass auch mal schlechte Aktionen gezeigt werden, da dadurch die Unterscheidung zu wirklich guten Aktionen besser wird.
Und man auch in gewisser Weise selber mehr dazu gezwungen wird auf dynamik und spielsituation zu achten um den Fehler zu finden.
guter, ausführlicher Text mit passenden Videos, Lob!
Scheint ein witziger Spieler zu sein!