Durch ein Sieg im Hinspiel reist Juventus in Madrid mit einem leichten Vorsprung an. Real Madrid lieferte im Hinspiel eine schwache Leistung ab, konnte kaum Chancen und gute Staffelung kreieren. Zumindest bis Chicharito kam.
Die Probleme aus dem Hinspiel wurden in dem Artikel von Spielverlagerung gut analysiert.
In diesen Artikel soll eher Chicharitos Strukturfeierwerk gefeiert werden und ein Preview auf die heutige Partie gegeben werden. (Strukturfeuerwerk verwendet im oben verlinkten Artikel von MR. Auf die Idee Strukturfeierwerk kam Eduard Schmidt)
4-3-3 und Chicharito findet die Räume
Durch die Einwechslung Chicharitos entstand ein klareres 4-3-3. Dies passt wesentlich besser zu den Bewegungsmustern der einzelnen Spieler. Ramos konnte sich nun leicht rechts positionieren und auch stärker zum Flügel tendieren. Kroos konnte sowohl abkippen als auch situativ höher stehen und hatte so mehr Zugriff auf die Zirkulation. James Rodriguez, der davor als rechter Mittelfeldspieler gespielt hatte, pendelte auf die Position des linken Achters. Hier war er wie so oft nicht perfekt eingebunden, konnte aber die Räume verbinden, teilweise sogar den Halbraum anvisieren und hatte deutlich mehr Einfluss auf den Rhythmus. Allerdings war er viel damit beschäftigt, Marcelo zu unterstützen, für diesen Raum zu öffnen und ihn freizuspielen. Generell ist diese Rollenverteilung noch nicht ideal und Isco passt dort um einiges besser.
Eine weitere Folge war, dass Ronaldo als zweiter Stürmer spielte, aber immer wieder auch auf den linken Flügel auswich. James spielte teilweise als nahm die Mischposition zwischen dem linken Achter und dem linken Mittelfeldspieler ein. Hernandez spielte die Position des zweiten Stürmers, diese interpretierte er eher als falsche Neun und Bale rückte nach rechts.
Generell war hier die Raumaufteilung viel besser, die Staffelung wirkten stabiler und das Gegenpressing war zum ersten Mal im Spiel wirklich aggressiv und erfolgreich. Dies lag vor allem an Hernandez, der sich immer wieder gut ins Zentrum fallen ließ, die Räume in Juventus‘ 5-3-2 suchte und probierte, gute Strukturen zu erzeugen.

Juventus im 5-3-2. Chicharito lässt sich in den Raum zwischen den Stürmern und den drei Mittelfeldspieler fallen. Ronaldo bewegt sich horizontal und sucht die Schnittstellen für diagonale Läufe. Ramos besetzt den tiefen rechten Halbraum, kann seine Bewegungsmuster freier ausüben und zum Beispiel Bale hinterlaufen. Durch die Umstellung und das verbesserte Gegenpressing konnte Ramos etwas freier agieren und sicherte eher einfach ab in dem er sich hinter Carvajal postierte. Er war nicht mehr ganz so stark in die Ballzirkulation eingebunden.
Eine weitere gute Szene Chicharitos, in der er eine passende Staffelung forciert, ist diese.

Er lässt sich fallen und driftet in den Halbraum. Von dort treibt er das Spiel an und stößt Bewegungen an. Bale rückt stärker ein und bietet sich im Halbraum an. Carvajal rückt auf, Ramos sichert die Staffelung ab und dient als mögliche Anspielstation. Im 4-3-3 ist Ramos nun nicht mehr so stark im Dunstkreis der Stürmer Juventus‘. Diese besetzen das Zentrum und verhindern schnelle Verlagerungen. Es können also nur hohe Verlagerungen gespielt werden.
Allerdings hat Allegri sich hierfür auch eine Taktik überlegt. Der ballferne Achter in Juventus 5-3-2 oder 4-1-3-2 (also meistens Vidal, Marchisio oder Pogba) bleibt immer breiter, um bei hohen Spielverlagerungen direkt auf den Ball zu pressen. Zu Beginn des Spiels war Sturaro noch Achter. Heute wird vermutlich Pogba mit Marchisio die Achterpositionen besetzten. Wie aggressiv er dies macht, kann er selbst entscheiden und ist ihm meistens individuell überlassen.
Die ballnahen Spieler des Mittelfelds, in diesem Fall Vidal und Pirlo, orientieren sich nah zueinander und probieren das Zentrum mit ihren Deckungsschatten zu schließen. Außerdem agieren sie situativ mannorientiert und probieren das Spiel auf die Flügel zu lenken.
In der Szene orientiert sich Vidal an Chicharito, Pirlo sehr lose an Bale und Carvajal wird vorerst offen gelassen.

Diesen Mechanismus kann man aber gut bespielen, wie Hernandez es in dieser Situation gut macht. Hernandez gibt den Ball an Carvajal ab, läuft dann auf Bale zu und stößt ihn so an. Dieser nimmt Hernandez Bewegung auf und rochiert in Hernandez‘ Raum. Sowohl Vidal als auch Pirlo bleiben aber situativ mannorientiert. Sie lassen sich aus dem Zentrum ziehen. Dieses ist nun geöffnet, weil Marchisio breiter bleibt, um auf eine Verlagerung zu spekulieren.
Carvajal legt auf Ramos ab, der sich außerhalb des Dunstkreis Tevez‘ befindet und ein geöffnetes Sichtfeld hat. Hernandez läuft nun ins offene Zentrum und kann nun den Ball von Ramos erhalten.
Solche Angriffe sollte Real Madrid forcieren. Hernandez hat die sehr gut gemacht, er nutzte die situativen Mannorientierungen Pirlos und Vidals aus, ebenso wie die breitere Stellung Marchisios und die zentrale Rolle Tevez‘.
Juventus‘ defensive Abläufe im Zentrum sind eher simpel und durch gutes Bewegungsspiel kann man das Zentrum gut bespielen. Allerdings gelang dies Real Madrid im Hinspiel nicht besonders oft, da durch die Bewegungen der Spieler sehr flache Staffelungen entstanden und das Zentrum kaum bespielt wurde.
Entscheiden im Rückspiel wird es, wie gut Real Madrid die Lücken und Schwächen des 4-1-3-2/5-3-2 bespielen wird.
Chicharito machte dies im Hinspiel sehr gut. Er kurbelte viele Bewegungen an und suchte stehts nach Strukturen um Juventus Abwehr aufzubrechen.

Chicharito bewegt sich hinter Lichtensteiner und zieht den dritten Innenverteidiger auf den Flügel. Pirlo rückt auf. Wenn er nun den Ball bekommt, kann er diagonal ins Zentrum spielen und die gestreckte Dreierreihe bespielen. Effektive, intelligente Bewegung.

Hernandez nutzte auch immer wieder die breite Staffelung des ballfernen Achters aus und bewegte sich gut in den Halbraum sowie in den Kanal zwischen Pirlo und dem Achter. Allerdings ist die Folgeaktion dann meistens sehr kompliziert, da der Achter (Marchisio oder Vidal) sofort die Lücke presst. Deshalb muss man sehr schnell den Ball weiter- und schon vorhandene Abläufe bespielen. Dies war im Hinspiel nicht gegeben, weshalb Hernandez teilweise in diesem Raum öfters den Ball verlor. Könnte man aber eine Folgeaktion damit verbinden, würde dies sehr effektiv sein und man könnte über diese Lücke zum Beispiel schnell die Seiten verlagern.

Hernandez lässt sich in die Lücke fallen, sowohl Bale als auch Ronaldo können diagonal in die Schnittstellen starten. In dieser Szene presst ihn Vidal aber direkt von hinten und er verliert den Ball. Liegt vor allem daran, dass die Pässe auf Bale und Ronaldo sehr anspruchsvoll waren. Dadurch hat die Ballverarbeitung sehr lang gedauert.

Und nochmal ist der Kanal offen, allerdings ist die Staffelung um diesen Raum nicht gut und die Dynamik verpufft, der Ball muss zurückgespielt werden.
Ein weiteres Merkmal Juves ist das aggressive Herausrücken der Innenverteidiger bei Kontern oder Unterzahlangriffen des Gegners, dadurch entsteht kurzzeitig eine Viererkette und die Lücken sollen schnell geschlossen werden. Allerdings klappt dies nicht immer. In weiterer Folge sind dann die Schnittstellen offen und mit schnellen Angriffen könnte man diese möglichen Lücken bespielen.

Chiellini rückt gegen Ronaldo heraus. Dadurch entsteht ein 4-3-3. Pirlo ist im Pressing nach vorne gegangen und hat in seinem Rücken Raum geöffnet. Diesen schließt Chiellini durch sein aggressives Herausrücken. So sollen solche Szenen im Idealfall verteidigt werden, allerdings klappt dies nicht immer perfekt.

Bonucci rückt gegen Ronaldo aggressiv heraus. Chiellini hat eine zu breite Stellung und orientiert sich lose an Bale. Dadurch entsteht ein offener Kanal. Hernandez positioniert sich so, dass er ein offenes Sichtfeld hat und diesen nach einer Ablage von Ronaldo direkt bespielen könnte.
Auf solche Situationen muss Real Madrid lauern, dafür brauchen sie aber Zugriff aufs Zentrum, denn das seitliche Herausrücken der Innenverteidiger ist sehr gut abgestimmt.
Wie oben schon angesprochen kommt es teilweise vor, dass die Achter aggressiv im Pressing nach vorne stoßen. Diese Bewegungen sind nicht perfekt abgesichert und wirken teilweise etwas übertrieben. Da Juventus Turin aber viele Spieler hinter dem Ball hat, kann man solche teilweise schlecht eingebundenen Pressingbewegungen durchaus tolerieren, da man immer noch eine sehr starke Endverteidigung hat.
Trotzdem könnte Real Madrid versuchen, den bei solchen Bewegungen entstehenden Raum zu bespielen.

Vidal rückt im Pressing aggressiv auf Ramos. Diese Bewegung wird nicht abgesichert. Pirlo und Marchisio stehen sehr nach rechts versetzt und Evra steht sehr breit. Hernandez bewegt sich in diesen Raum, provoziert ein Zusammenziehen der Verteidigung und hat nun Kontrolle über einen Raum mit vielen Entscheidungsmöglichkeiten.
Bild 11: Gleiche Situation nur andersherum. Marchisio orientiert sich zu stark und ohne wirklichen Sinn an Kroos. Dadurch entsteht in seinem Rücken Raum, in den sich James bewegt. Folge: Kontrolle über den Halbraum.
Video 1: In diesem Video sieht man alle Szenen von Chicharito nach seiner Auswechslung. Man sieht wie gut er die passenden Strukturen sucht und probiert die einzelnen defensiven Mechanismen von Juventus aufzubrechen.
Pressing und Gegenpressing
Neben den besseren Staffelungen, die Hernandez erzeugte, verbesserte er auch das Gegenpressing und verhielt sich auch im Pressing sehr gut.
Gegen das 5-3-2 von Juventus ist es sehr klug, wenn man sich so positioniert, dass man sowohl den Halbverteidiger pressen kann als auch den Wing-Back im Deckungsschatten hat. So kann man das Spiel in die Mitte lenken und die Entscheidungsmöglichkeiten stark verringern.
Bale positionierte sich zum Beispiel eher am Wing-Back oder am Linksverteidiger Evra. Hernandez fand im Pressing eine bessere Balance.

Hernandez hat eine gute Positionsfindung und lenkt das Spiel in die Mitte. Dort ist Madrid sehr mannorientiert und kann die Bälle aggressiv gewinnen.

Hernandez orientierte sich auch viel stärker an Pirlo und verhinderte so schnelle Seitenverlagerungen. Durch seine Positionsfindung hält er das Spiel auf dem Flügel gefangen und verhindert mögliche Sichtfelddrehungen.
In dem folgenden Videos gibt es noch einige gute Gegenpressingaktionen Hernandez‘. Auch hier zeigte er eine gute Positionsfindung. Er läuft zum Beispiel nicht blind in den Strafraum, sondern postiert sich an der Strafraumkante um den zweiten Ball zu gewinnen.
Video 2: Gegenpressing
Video 3: Enge Staffelung. Gut in die Mitte gelenkt und den Ball im Pressing gegen Pirlo gewonnen.
Fazit
Real Madrid muss probieren, die Schwächen bei Juventus zu bespielen. Generell wird es spannend sein, welche Anpassungen Ancelotti vornimmt. Mit einer ähnlich schlechten Vorstellung wie im Hinspiel dürfte man aber sicher ausscheiden.
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