How not to defend – Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse

Als Ajax Amsterdam am 24. Oktober ins an Deutschland grenzende Venlo reiste, hatten sie eine Menge Wut im Bauch: Drei Tage vorher mussten sie bei ihrem Champions League Auftakt eine bittere 0:1 Niederlage gegen den FC Liverpool einstecken. In der Eredivisie durch einen Patzer nur auf Platz 2 stehend, war das Spiel gegen den VVV-Venlo ein Pflichtsieg.

Das Team von Hans de Koning war bisher ordentlich in die Saison gestartet: Schlossen sie die letzte Saison noch auf Platz 13 ab, lagen sie nach 5 Spieltagen auf Platz 9. Erst vorherige Woche gelang ihnen bei dem favorisierten AZ Alkmaar ein Achtungserfolg, als sie in den letzten fünf Minuten einen 2:0 Rückstand noch in ein 2:2 umwandelten.

Die Hoffnungen auf einen erneuten Achtungserfolg zerschlugen sich jedoch schnell – zur Halbzeit lag die Heimmannschaft im Covebo-Stadion – De Koel bereits 0:4 hinten. Es ging um Schadensbegrenzung in der zweiten Halbzeit, doch die gelang mal so überhaupt nicht: 0:13 lautete das Ergebnis am Ende, die höchste Niederlage jemals in der Eredivisie. Wie konnte das passieren?

Grundsätzliche Herangehensweise

Ich habe in dieser Saison sonst noch kein Spiel von Venlo gesehen, deswegen kann ich die Frage, ob die das wirklich immer so spielen, leider nicht beantworten: In Ballbesitz agierte der VVV in einem recht klassischen 4-3-3 mit doppelter Flügelbesetzung. So ganz klar wurde der Plan mit Ball nicht, im Spiel selbst wurde der Ball zumindest oft lang und sehr früh auf den Flügel geknallt.

Der Knaller kommt aber jetzt: Gegen den Ball setzte Hans de Koning auf ein 1-Manndeckung-1. Abgesehen vom Torwart und dem (bemitleidenswerten) Mittelstürmer Georgios Giakoumakis hatten alle Spieler einen festen Mann zugeteilt, dem sie folgen sollten. Nach 5 Minuten sah das dann mal eben so aus:

How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13

Auf welcher Höhe der derzeit Tabellen-Sechzehnte pressen sollte, wird ein Geheimnis bleiben. Da sich die Spieler ausschließlich an der Position ihres Gegenspielers orientierten, gab es verschiedenste, eigenartige Szenen. Mal pressten 3-4 Spieler vorne drauf, vergaßen aber den völlig freien Spieler im Zentrum.

How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13

„Komm, wir pressen drauf!
How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13

„Nee wartet mal Jungs, da ist doch einer im Zentrum frei!“
How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13

„Ach scheiße Bruder“

In anderen Szenen jedoch standen sie in einer 7er Kette vor ihrem eigenen Tor, öffneten aber das gesamte Mittelfeldzentrum:

How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
„Männer, das kann doch nicht sein! Jeder hat doch seinen Mann!!!!“

Auf das Spiel von Ajax soll hier gar nicht groß eingegangen werden: Die Hauptstädter spielten es nicht schlecht, aber eigentlich war ihre Herangehensweise nur der logische und konsequente Konterpart zum Spiel ihres Gegners.

Amsterdam nutzte viele gegenläufige Bewegungen. Aus der Spitze kam Traoré entgegen, dafür ging Gravenberch aus dem zentralen Mittelfeld in die Tiefe. In ihrer grundsätzlichen 4-3-3 Struktur bewegten sich vor allem die zentralen Mittelfeldspieler flexibel und tauchten in verschiedensten Räumen auf. Meist betätigte sich einer raumöffnend, während der andere den geöffneten Raum nutze. Im Zentrum empfingen Gravenberch, Klaassen und Ekkelenkamp dann linienbrechende Pässe ihrer Innenverteidiger – wobei: Um Linien zu brechen, muss der Gegner überhaupt Linien haben.

Das einzig Besondere am Spiel der Mannen von Erik ten Hag war, wie sie auch beim Stand von 10:0 noch auf das nächste Tor gedrückt haben. Dabei lud Venlo sie aber wirklich zum Toreschießen ein – und warum das so war, hat mehrere Gründe:

Warum die Spielphasen miteinander verbunden sind

Der Text könnte auch schlichtweg how not to play football heißen. Warum? Weil man die Spielphasen nicht voneinander trennen kann. Meine Struktur bestimmt, wo ich den Ball wahrscheinlich verlieren werde und wo ich ihn gewinnen kann. Stehe ich also tief hinten drin und bilde so wie Venlo eine 7er-Kette, gewinne ich den Ball vermutlich knapp vor meinem eigenen Strafraum.

Das beeinflusst dann natürlich auch, wie meine Staffelung mit Ball aussieht: Schließlich können sich die Spieler nicht vom eigenen 16er in den gegnerischen Strafraum beamen. Daher hatten die Spieler der Grenzstadt nach Ballgewinn schlichtweg keine Anspielstationen in wertvollen Positionen.

Die Wege zum Hochschieben sind sehr weit, sodass der Mittelstürmer allein auf weiter Flur ist. Giakoumakis wurde diese ehrenwerte Aufgabe dann zuteil – in einem 1 vs.4 mit Sichtfeld und Dynamik zum eigenen Tor, sollte er den Ball nicht nur festmachen, sondern im Idealfall auch weiter verteilen. Herzlichen Glückwunsch.

Lange Rede, kurzer Sinn: Venlos Grundstaffelung machte es quasi unmöglich, einen Konterangriff zu starten. Das ist halb so schlimm, ein 0:0 hätte den Underdogs ja vermutlich gereicht. Aber das funktionierte bekanntlich nicht.

Ajax hatte nach Ballverlust leichtes Spiel – sie mussten das Spiel gar nicht eng machen, das machte Venlo von alleine. Durch schnelles Gegenpressing eroberten sie den Ball sofort zurück und fanden eine (noch) bessere Situation vor als vor dem Ballverlust. Warum?

Gegenpressing ist der beste Venlo-Killer

Mit Ball versuchten die Venlo-Spieler selbstverständlich, hochzuschieben und sich von ihren Gegenspielern abzusetzen. Gar nicht so einfach, wenn das gesamte Team gerade noch in Manndeckung agierte. Der Ball wurde dementsprechend meist schon wieder verloren, bevor ein rettender Befreiungsschlag geschlagen werden konnte.

Nun kommt das Problem: Venlo wird durch den Ballverlust gegen die eigene Dynamik erwischt (). Die Manndeckungen sind aufgegeben, die Flügelspieler machen breit und der hohe Achter geht in die Tiefe.

Für Ajax ist also noch mehr Raum bespielbar als vorher. Na super, dachten sich die Venloer und verbarrikadierten sich ab Minute 55 nur noch vor dem eigenen Tor. Doch auch das war anscheinend nicht die Lösung:

Es ist nicht so schlau, 90 Minuten im eigenen Strafraum zu verteidigen.

Mal ganz dumm gefragt, was ist eine gefährlichere Situation für dein Tor? Wenn der Gegner den Ball 25 Meter vor deinem Tor hat? Oder wenn der Gegner den Ball noch am eigenen Strafraum hat?

Die zweite Variante klingt logisch: Die Bedrohung für mein Tor ist geringer, umso weiter der Gegner von diesem entfernt ist. Es bleibt ein Irrtum, dass man die eigene Defensive (nur dadurch) stabilisiert, indem man sich in ein tiefes Abwehrpressing fallen lässt. Im Gegenteil:

Macht mein Stürmer im Anlaufen am gegnerischen Strafraum einen Fehler, haben er und mein Team noch ausreichend Zeit, diesen Fehler auszubügeln. Wenn jedoch mein Innenverteidiger am eigenen Strafraum einen Zweikampf verliert oder über den Ball tritt, haben wir diese Zeit nicht.

Verschanze ich mich nun tief an meinem eigenen Strafraum, wird mein Innenverteidiger also sehr oft involviert sein. Umso mehr defensive Aktionen er hat, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er davon auch mal eine versemmelt. Und umso näher diese defensiven Aktionen an meinem Tor sind, umso schwerer wiegt ein Fehler.

Als Verteidiger beim VVV-Venlo hatte man wahrlich keinen leichten Nachmittag. Dass man dann noch eine klare Manndeckung spielte, verstärkte die genannten Probleme nur weiter.

Manndeckungen sind nicht so gut

Die Nachteile von Manndeckungen sind inzwischen wohl jedem geläufig: Man reagiert nur auf die Bewegungen der Gegenspieler und kann sie nicht aktiv in bestimmte Räume oder Zonen lenken. Außerdem kann durch ein stumpfes Verfolgen seines Gegenspielers ein wertvoller Raum freigegeben werden, wenn sich der Verteidiger beispielsweise zentral vor dem Tor nach außen mitziehen lässt.

Eigentlich gilt ja: Wenn ich mit meinem Herausrücken mehr wertvolle Aktionen für den Gegner ermögliche als verhindere, sollte ich nicht herausrücken. Bei Manndeckungen aber ist der einzige Referenzpunkt das „Zustellen“ des Gegenspielers, um den verlassenen Raum, oder besser gesagt, den Gegner, der diesen Raum besetzen könnte, kümmert sich dann jemand anders.


Non-Zero-Sum-Game (Ein Exkurs von Jan-Gabriel Hartel)

Das Spannungsfeld zwischen Mann- und Raumorientierung ist im Fußball unausweichlich. Es ist so omnipräsent, dass es bereits in den kleinstmöglichen Ausschnitten des Spiels auftritt. Im 1v1 wird man als Verteidiger man stets vor die Frage gestellt, ob man Druck auf den Ballführenden erzeugen, also Ball und Mann attackieren, oder aber Zurückfallen, also primär den Raum sichern sollte.

In größeren Ausschnitten des Spiels gibt es natürlich noch weitere Gegenspieler, wodurch nicht nur die Abgrenzung zwischen Ball- und Mannorientierung klarer wird, sondern auch ein Staffelungselement zur Raumdeckung hinzukommt. Auch hier hat der ballnächste Verteidiger die Frage zu beantworten, ob er attackiert oder absichert. Zusätzlich müssen seine Mitspieler sich entscheiden, wie eng sie sich an den übrigen Gegenspielern postieren. Wenn sie diese Abstände durchweg eng wählen, sprechen wir von einer Manndeckung. In der Mischung raum- und mannorientierten Verhaltens entsteht eine Optionsorientierung.

Anstatt jedem Gegner, egal wie unwahrscheinlich ein Anspiel auf diesen auch sein mag, auf den Füßen zu stehen, wählt man engere Abstände zu eben jenen Spielern, die unmittelbar anspielbar sind und dessen Anspiel dem Gegner einen Vorteil brächte. Auch diese Abstände sind nur so eng wie nötig gewählt, sodass man während der Laufzeit des Passes eine vorteilhafte Stellung zum Gegner erreichen kann. Auf der ballfernen Seite gilt analog, dass ich weit von „meinem“ Gegenspieler bleiben kann, weil ein Anspiel auf diesen unwahrscheinlich ist, und ich, selbst wenn es denn erfolgen würde, genug Zeit hätte, mit dem Ball herüberzuschieben.

Der Vorteil dessen, dass Spieler sich so zentral wie möglich postieren, ist, dass sie sinnvoller auf eine Vielzahl verschiedener Optionen reagieren können. Wenn der pressende Spieler im Dribbling überwunden wird, kann er von einem Mitspieler abgesichert werden. Wenn stattdessen ein Pass ins Zentrum gespielt wird, sind kürzere Abstände gegeben und der Zugriff einfacher.

Optionsorientierung ist keine Entscheidung gegen jede Form von Mannorientierungen, sondern nur gegen nutzlose Formen derselbigen. Vielmehr verbindet man die zugriffsuchenden Momente von Mannorientierungen in Ballnähe mit der Möglichkeit zur Absicherung durch ballferne Spieler aus der Raumorientierung.

Optionsorientierung schützt gegen individuelle Fehler und Schwächen, die in einer Manndeckung ausgenutzt werden könnten.

Ein entscheidender Aspekt wurde in diesem Diskurs bisher außer Acht gelassen. Man kann nicht nur auf Pässe reagieren, sondern diese verhindern.

Die Verhinderung von Pässen über den eigenen Deckungsschatten, die Zone auf dem Spielfeld die im eigenen Rücken nicht anspielbar ist, ist die dritte fundamentale Aktion, die in einer Optionsorientierung berücksichtigt wird. Indem man aus einer zentralen Ausgangsposition anläuft, verstellt man die Optionen in der Mitte und reduziert damit nicht nur die Notwendigkeit an Lokalkompaktheit dort, sondern erlaubt seinen Mitspielern klarer auf Optionen am Flügel herauszuschieben.

Die Verwendung des Deckungsschatten kombiniert nicht nur auf der individualtaktischen Ebene Druck auf den Ballführenden und die Verstellung der Passoptionen im Rücken, sondern verschiebt die mannschaftstaktische Abwägung durch die Reduktion abzusichernder Optionen hin zu prompterer Zugriffsfindung.

Die strategische Entscheidung zwischen den scheinbar einzigen Möglichkeiten der Raum- oder Manndeckung übersieht, dass es einen dritten Weg, oder genauer, eine unendliche Vielzahl an Zwischenformen gibt. Diese erlauben, die Vorteile einer Mann- mit der einer Raumorientierung zu verbinden, während die Nachteile kompensiert werden.

Man muss an dieser Stelle natürlich feststellen, dass Mann- und Raumdeckung lediglich Metaphern darstellen. Keine Mannschaft orientiert sich einzig und allein am Raum. Und fast keine Mannschaft orientiert sich vollständig an Mann.

Allerdings gibt es Mannschaften, die sich nicht nur weit weg von einem gesunden Mittel bewegen, sondern diese Extremposition auch noch außerordentlich  ausführen. Der VVV Venlo ist ein Musterbeispiel für eine ebensolche Mannschaft.


Vor dem Spiel dachte ich auch, dass Trainer zwar noch vereinzelt Manndeckungen mit mäßigem Erfolg einsetzen (z.B. Kovacic gegen Messi), aber kein Team mehr über den gesamten Platz  mit Manndeckungen spielt. Das war ein Irrtum: Hans de Koning hatte genau das mit seinem Team vor.

Die Folge daraus waren riesige Abstände zwischen allen Mannschaftsteilen. Venlo stand unkompakt, ohne jedoch Zentrum, Breite oder Tiefe zu sichern. Der einzige Referenzpunkt des Tabellen-Sechzehnten war der Mann, nicht mal der Ball wurde wirklich miteinbezogen. Dadurch entstanden kuriose Szenen wie diese hier:

How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
„Scheiß mal auf den Ball, ich muss meinen Mann decken!“

Nach Überspielen des „Pressings“ konnten die Amsterdam-Spieler dann auch mal 40-50 Meter zentral andribbeln, weil alle Venloer durch ihre Gegenspieler gepinnt waren. Dabei gelang es den Spielern von Hans de Koning überhaupt nicht, eine ordentliche Balance zwischen „Wann decke ich meinen Mann?“ und wann „Wann ist die Ballsituation wichtiger als mein Mann?“ zu finden.

Schlechte Manndeckungen

Venlo spielte nicht nur Manndeckung, Venlo spielte eine sehr schlechte Manndeckung. Spieler wurden trotz weiträumigen Bewegungen nicht an die Mitspieler übergeben und Gegner wurden in den wichtigsten Zonen freigelassen.

Dabei waren die Manndeckungen nicht einmal zugriffssuchend: Meist hatten Gravenberch & Co. sogar eine Menge Zeit, um den Ball anzunehmen und die nächste Aktion vorzubereiten. Abgesehen von der (berechtigten) roten Karte suchten die Venloer kaum Kontakt zu ihrem Gegenspieler und ließen sie einfach aufdrehen. Es wurde nicht so ganz klar, was eigentlich der Gedanke hinter den Manndeckungen war.

Dazu kam noch, dass die Hauptstadt-Spieler ihren Gegenspielern individuell eindeutig überlegen waren. Wenn mein Außenverteidiger im 1 vs. 1 am Flügel vier von fünf Duellen verliert, dann sollte ihn die restliche Mannschaft absichern, um den Durchbruch zu erschweren oder zumindest die Gefahr zu verringern.

Bei Venlo geschah das nicht – Tobias Pachonik und Lukas Schmitz durften sich von Dusan Tadic, Antony und später Quincy Promes und Zakaria Labyad düpieren lassen. Und damit sind wir schon beim nächsten großen Problem:

Generelle Probleme in allem

Der VVV war über das gesamte Spiel wahnsinnig passiv im Zweikampfverhalten, selbst direkt vor oder im Strafraum. Trotz gefährlicher Situation erachtete es niemand als notwendig, den Gegner unter Druck zu setzen.

„Den flankt er doch jetzt nicht, oder?“
„Als ob er den jetzt bringen wird…“
„Oh Jungs, der flankt!“
„Verdammt.“

Trotz klarer Überzahl und Pressingauslösern (bspw. negative Orientierung) suchten die Venloer nie die Balleroberung. Auch nach Rückpässen oder anderen negativen Aktionen schob die Mannschaft von Hans de Koning nicht mehr hoch, sondern verharrte in ihren Positionen.

Wenn dann noch die Kommunikation untereinander nicht funktioniert, entstehen aus den einfachsten Situationen hochgefährliche Szenen:

How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
„Hey, da lässt sich einer fallen!“
How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
„Jo, hast Recht!“ 
How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
„Ich geh dann mal drauf, ne?!“
How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
„Jo, ich auch Bruder!“

Eigentlich versuchen Teams in der Strafraumverteidigung entweder so tief zu stehen, dass sie die Flanken mit positiver Dynamik verteidigen und quasi „in den Ball reingehen können“ – oder man steht so hoch, dass der Gegner kaum Dynamik entwickeln kann. Wenn die Verteidiger ihre Position aber nicht am Ball orientieren, wird das ad absurdum geführt.

How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
Wenn kaum Bewegung im Strafraum ist, sind Flanken kein gutes Mittel.
How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
Nevermind.

Und wie war das nochmal mit dem Innenverteidiger und der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Fehlers, umso mehr defensive Aktionen er bestreiten muss?

Individuelle Fehler

Natürlich gab´s bei einer Niederlage von 13:0 auch einige individuelle Fehler. Der Torwart van Crooij ließ einen haltbaren Ball in der 54. Minute nur klatschen, sodass Ajax zum 5:0 abstauben konnte. Und der Innenverteidiger Swinkels verharrte in der 55. Minute in einer Art Schockstarre, als ihm der Ball abgenommen wurde.

Interessanter zu betrachten sind aber „individuelle“ Fehler, bei denen eigentlich nur dem taktischen Plan gefolgt wurde. So zum Beispiel beim 3:0, als der Rechtsverteidiger die innere Linie völlig offen lässt und in einer Art Zwischenposition verharrt. Grund ist wohl, dass er nicht weiß, wer jetzt in dieser Situation eigentlich sein Gegenspieler ist.

Durch sein Ballwatching kann er den Laufweg des Flügelspielers allerdings nicht mal sehen. Schulterblicke und die richtige Körperstellung sind wichtig, auch gegen den Ball! Am Ende drückt fünffache Torschütze Lassina Traoré das Ding übrigens aus zwei Metern über die Linie.

How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13
How not to defend - Venlo Ajax Amsterdam in der Analyse 0:13

In Ballbesitz hingegen galt wohl, den Ball vor allem über die Flügel zu spielen, weil „ein Ballverlust im Zentrum ja viel zu gefährlich ist“. Ob es aber so viel Sinn ergibt, den Ball zu einem Spieler zu spielen, der noch viel stärker unter Druck steht als man selbst, sei mal dahingestellt.

„Hintermann lol“

Fazit

Sicherlich haben auch psychologische Aspekte eine große Rolle bei dieser Niederlage gespielt: Wenn ich sieben Mal den Zweikampf verloren habe, gehe ich dann beim achten Mal wirklich noch voll auf einen Ballgewinn? Und wenn ich die gesamte Zeit in meinem eigenen 16er stehe, kommt mir das nicht irgendwann normal und gar nicht mehr so gefährlich vor?

Das ist aber nicht losgelöst von der mannschaftlichen Ausrichtung zu betrachten, sondern auch ein Resultat daraus: Natürlich haben die Spieler mehr Angst vor einem Fehler im eigenen Strafraum als beim Anlaufen am gegnerischen Strafraum. Schließlich wiegt ein Fehler im eigenen Strafraum deutlich schwerer.

Außerdem schaffe ich durch die Manndeckung einfache Ausreden für die Spieler: „Ich war bei meinem Mann, das war doch deiner!“

Im Spiel fiel dann der gesamte mannschaftliche Plan zusammen und jeder kleine Fehler wurde aufgedeckt. Ja, ich kann kurzzeitig ein Abwehrpressing spielen, aber ich muss Momente finden, in denen das Team aufrücken und Entlastung mit Ball schaffen kann.

Ja, ich kann auch vereinzelt Manndeckung spielen lassen, aber dann muss es klare (und logische) Handlungsanweisungen dafür geben. So sollte man die Manndeckung aufgeben, wenn ein Mitspieler näher ist oder man droht, einen gefährlichen Raum aufzuziehen. Außerdem kann man durchlaufen, wenn der Spieler seinen Mann im Deckungsschatten hat und dadurch das Anspiel auf ihn verhindern kann.

Man kann auch ruhig am Flügel Ballgewinne suchen, aber ich sollte nicht zu viele Spieler dorthin abstellen, weil sie sonst in wichtigeren Zonen fehlen. Das Tor steht nämlich nicht an der Seitenlinie und auch nicht an meinem Gegenspieler, es steht in der Mitte.

Das gesamte Spiel Venlos war ein Musterbeispiel dafür, dass ein Team nicht automatisch defensiv stabiler ist, weil sie tief stehen und „jeder einen Mann“ hat. Wenn dein xG am Ende so aussieht, dann hast du sicher alles getan, aber nicht gut verteidigt (oder gespielt).

Und zwar nicht trotz Abwehrpressing und Manndeckung, sondern wegen Abwehrpressing und Manndeckung.

Screenshots sind entnommen von: https://footballia.net/matches/vvv-venlo-afc-ajax-eredivisie-2020-2021 (ESPN)

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.